Von Reisenden und Heimkehrenden
Als Reisender stellt man sich gar nicht die Frage, ob es Zuhause auch schön ist. Man weiß das einfach. Denn diese Erkenntnis gewinnt man immer wieder auf seinen Reisen, und es ist auch der Grund warum man gerne wieder zurückkehrt.
Es ist schon leicht schizophren, dass man als Reisender genau weiß wie schön man es Zuhause hat, aber fortwährend dieses Kribbeln im Körper verspürt, wenn man wieder eine neue Reise plant und antritt. Es ist ein schönes, aufregendes und gleichzeitig mulmiges Gefühl in ein neues Abenteuer zu starten, das gemütliche Sofa zu verlassen und in die oftmals unbequeme Welt der neuen Tagesroutinen einzutauchen. Warum tut man das? Und warum immer wieder, wo man doch weiß, dass man es nirgends so bequem und schön als Zuhause in den eigenen vier Wänden hat? Diese Fragen kann ich mir auch nach über dreißig Jahren des Reisens nicht beantworten. Ich nehme es einfach hin und sage mir, dass es mein Wesenszug ist, beständig Strapazen auf mich zu nehmen um Neues und Unbekanntes zu entdecken, mich aber immer reicher und glücklicher zurückkehren lässt. Aber eben auch zurückkommen lässt. Somit bin ich nicht nur eine Reisende, sondern auch eine Heimkehrende.
Ein Mikroabenteuer ist der Ausbruch aus Routinen
Da auch ich als Reisende die längste Zeit des Jahres zuhause verbringe, habe ich mir oft die Frage gestellt, ob ich auch in der Heimat dieses Gefühl von Freiheit und Abenteuer erleben kann, welches ich auf Reisen verspüre. Dieses Gefühl lebendig zu sein oder neu aufzublühen nach einer langen Winterzeit. Nur einmal kurz frei sein von Alltagspflichten und kleine Abenteuer erleben, die im positiven Sinne unvermittelt das Herz höher schlagen lassen – das ist das Wesen eines Mikroabenteuers.
Irgendwo zwischen Berufstätigkeit, Haushalt und täglichen Routinen geht die Spontanität verloren. Es gibt ja so viel zu erledigen was man für das tägliche Wohlbefinden braucht und das sich – vermeintlich – nicht verschieben lässt. Der Tag scheint nur den Zweck zu erfüllen ihn mit seinen immer wiederkehrenden Routinen zu füllen. Und am Abend sitzt man dann auf der Couch und überlegt was man vergessen hat oder am nächsten Tag zu erledigen gibt. Der Kreislauf beginnt von vorne. Warum fällt es uns Menschen nur so schwer aus diesen täglichen Routinen auszubrechen und uns in kleine Abenteuer zu stürzen?
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
Wenn man weiß wie sich Reisefreuden zuhause nachahmen lassen, hat man den Sinn eines Mikroabenteuers begriffen. Warum in die Ferne schweifen, wenn man auch zuhause kleine Abenteuer erleben kann. Dieses Denkmuster musste ich als ewig Reisende mühsam lernen. Lange gab es für mich eine Befreiung vom Alltag nur auf (langen) Reisen. Heute ist das anders. Einer guten Freundin verdanke ich diesen Sinneswandel. Sie beneidet mich um meine Reisefreudigkeit, ist aber selbst überhaupt keine Reisetante und fühlt sich zuhause so unglaublich wohl, dass sie nie länger als ein paar Tage unterwegs sein kann ohne Heimweh zu bekommen. So völlig verschieden wir beide sind, so verstehen wir einander trotzdem. Sie hat mir gezeigt wie gut kleine Auszeiten tun können, wie aufregend es ist in heimischen Gefilden Neues zu erkunden und wie entspannend, wenn man weiß, dass am Abend das eigene Bett – oder gemütliche Sofa – auf einen wartet.
Mikroabenteuer zuhause – ein paar Ideen gefällig…?
Natürlich reicht es für ein Mikroabenteuer aus, wenn man beispielsweise einen längeren Spaziergang als gewöhnlich mit dem Hund unternimmt. Unter einem Mikroabenteuer kann man alles Mögliche verstehen und jeder ist frei in seiner Definition dabei. Trotzdem habe ich ein paar Ideen zusammengetragen, wie ein Mikroabenteuer aussehen kann. Meine Vorschläge sind natürlich keineswegs vollständig, sondern nur ein Mini-Pool an Anregungen für kleine Auszeiten zuhause und natürlich für jede Jahreszeit.
Neue Sportarten ausprobieren (Kanufahren, Klettern, Skilanglauf ….)
Ob Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter, zu jeder Jahreszeit kann man Sportarten ausüben, die man bis dato noch nie (oder selten) ausgeübt hat. Warum nicht einmal spontan zum nahegelegenen Kanuverleih und eine kleine Tour (mit den Kindern oder Enkeln) unternehmen. Solche kurzen Ausflüge sind eine herrliche Abwechslung an einem langatmigen Sonntagnachmittag. Mit einer Recherche auf den Internetseiten der örtlichen Fremdenverkehrsämter erfährt man welche Sportarten im heimischen Landkreis angeboten werden. Ein Klettergarten beispielsweise ist nicht nur etwas für die Jugend, sondern auch ein aufregender Zeitvertreib für Junggebliebene.
Winterwandern querfeldein
Im Prinzip bin ich ganzjährig auf Wanderschaft und nutze fast jede Gelegenheit für eine kurze Wanderung. Auch in den kalten und nassen Wintermonaten gehören viele Sonntage dem Wandern. Gerade im Winter ist es mir wichtig nach Draußen zu kommen, um in der frischen, kalten Luft neue Energie zu tanken. Besonders schön ist es, wenn eine dünne weiße Schneedecke die Wege verdeckt und man sich als Wanderer denselben mit jedem Schritt suchen muss. Hin und wieder kommt es dann vor, dass wir querfeldein laufen müssen und dabei ganz neue Wege finden. Natürlich achten wir darauf, dass wir nicht zu tief in den Wald eindringen, um Wildtieren nicht zu erschrecken. Trotzdem kommt es gerade im Winter manchmal zu Wildbegegnungen, die für mich immer wieder etwas Besonderes sind.
Auf Pilz- und Kräutersuche
Das Pilze sammeln kommt seit einigen Jahren wieder in Mode und auch ich freue mich jedes Jahr auf den Beginn der Pilzsaison. Da ich kein wirklicher Pilzkenner bin, beschränke ich mich beim Sammeln auf die wenigen Pilzarten, die ich sicher kenne und identifizieren kann. Doch auch wer nicht Pilze sammeln möchte, kann mit einer Bestimmungs-App einen spannenden Waldspaziergang unternehmen und dabei viel über die verschiedenen Pilzarten lernen. Dasselbe Vergnügen kann man mit einer Kräuter-Bestimmungs-App erleben. Man wird bei solchen Ausflügen überrascht sein wie viele heimische Kräuter essbar sind, oder welche als Heilkräuter kleine Wehwehchen heilen können. Solche Nachmittage sind wunderbare Lehrstunden für Naturfreunde.
Eine Radtour ohne Ziel
„Komm, lass uns wieder einmal eine Radtour unternehmen!“ – Mit dieser Aufforderung läuten wir jedes Frühjahr die Radsaison ein. Doch wohin? Meisten hat man bei einem Radausflug ein bestimmtes Ziel vor Augen, ein Biergarten, ein Eiscafe oder ein beliebtes Ausflugsziel (wo man dann auf gefühlt tausend andere Radler trifft). Viel spannender finde ich allerdings spontane Radausflüge bei denen man kein bestimmtes Ziel vor Augen hat. Wir haben das in den letzten Jahren schon öfter praktiziert und dabei festgestellt, dass dies unsere schönsten Ausflüge waren. Einfach drauflos und treiben lassen von den Straßen und Wegen, die man ganz intuitiv einschlägt. Bei solchen Ausflügen haben wir immer wunderschöne und malerische Orte gefunden, die wir in bester Erinnerung behalten. Und wer ein wenig unsicher bezüglich seines Orientierungssinns ist, der findet mit einer guten Navigations-App sicher auch wieder nach Hause.
Pack die Badehose ein!
Mal Hand aufs Herz! Wann warst du zum letzten Mal in einem See baden? Bei den meisten wird dies zuletzt in Kindertagen gewesen sein. Aber warum eigentlich? An einem heißen Sommertag gibt es wohl nichts schöneres als sich in einem natürlichen Gewässer abzukühlen. Das muss allerdings kein überfüllter Badesee sein, sondern kann auch in einem versteckten Weiher oder rauschenden Bach im Wald sein. Mittlerweile gibt es quasi überall natürlich angelegte Kneipbecken an kleinen Flüssen oder Bächen. Diese lieben wir, haben aber auch kein Problem damit einfach in einen Bach zu steigen um sich abzukühlen. Probier es einfach aus! Es ist eine herrliche Abwechslung an heißen Sommertagen.
Ein Picknick im Grünen
Ein opulentes Mittagessen teilt den Sonntag in zwei Tageshälften, den Vormittag und den Nachmittag. Am Vormittag kann man deshalb nicht aus dem Haus, weil dieses (oft mehrgängige) Menü gekocht werden muss, und am Nachmittag ist man mit dem Säubern der Küche beschäftigt. So oder so ähnlich kennen sicher viele von uns den Sonntag noch aus Kindertagen. Ein kurzer Familienspaziergang quetschte man zwischen Mittagessen und Nachmittagskaffee. Das war es dann. Wir haben diese Sonntags-Fress-Orgien (Verzeihung für den Begriff) schon lange abgeschafft. Entweder gibt es etwas schnell Zubereitetes oder wir nehmen unser Essen einfach mit. Ein Picknick – egal zu welcher Jahreszeit – ist für mich unglaublich schön, weil es mich mental in den Zustand einer Reise versetzt, da wir auf Reisen quasi immer (oder fast immer) draußen essen. Somit ist ein Picknick für mich das perfekte Mikroabenteuer.
Das Entdecken von „vergessenen Orten“ – Lost Places
Ebenfalls im Outdoor-Trend liegt das Entdecken von „vergessenen Orten“, auf Englisch „Lost Places“ genannt. Gerade bei jungen Outdoorern ist diese (zugegebenermaßen nicht ganz ungefährliche) Freizeitbeschäftigung sehr beliebt. Stöbert man ein bisschen auf der Website lost-places.com ist man erstaunt wie viele verlassene Orte es alleine in Deutschland gibt. Oft handelt es sich dabei um Gebäude oder Gelände, zu denen der Zutritt verboten ist. Es gibt aber auch sehr viele Lost Places, die zugänglich sind, wie beispielsweise verlassene Friedhöfe oder Burgruinen. Wir haben vor ein paar Jahren auf mehreren Ausflügen das längste Baudenkmal Bayerns erkundet, welches direkt vor unserer Haustüre liegt. Für uns waren diese Erkundungstouren auf der Strecke 46 das aufregendste Mikroabenteuer der letzten Jahre.
Historische Wege und Plätze erkunden
Geschichtsträchtige Orte findet man in der Heimat zahlreich. Von Burgen, alten Aussichtstürmen oder Kirchen über mittelalterliche Pilgerwege gibt es überall interessante epochale Plätze, die zu entdecken sich lohnen. Anders als bei den Lost Places sind diese immer zugänglich und werden von den örtlichen Behörden für den Tourismus instandgehalten und mit Informationstafeln versehen, die viele interessante Hintergründe zu den betreffenden Örtlichkeiten bereithalten. Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche geschichtliche Orte und Wege in unserer Heimat erkundet (z.B. Birkenhainer Landstraße) und damit sehr viel über die Vergangenheit unserer Region gelernt.
Draußen-Übernachtung – ein unvergessliches Mikroerlebnis
Als Dach nur den Sternenhimmel zu haben ist ein unvergleichliches Erlebnis. Eine Nacht auf der Terrasse, auf dem eigenen Grundstück oder im nahgelegenen Wald ist für mich immer ein besonders schönes Erlebnis. Sehr empfehlenswert für diese Mikroabenteuer sind die in Deutschland immer zahlreicher werdenden Wildcampingplätze, die man für eine Übernachtung über Forst- oder Nationalparkverwaltungen buchen kann (wie z.B. über trekking-bayern.de)
Ein Survivalwochenende – die Steigerung des Mikroabenteuers
Die absolute Königsdisziplin des Mikroabenteuers ist für mich ein Survivalwochenende. Solche extremen Abenteuer sollte man allerdings nur dann in Betracht ziehen, wenn man über ausreichende Outdoorkenntnisse verfügt. Nur mit einem Taschenmesser losziehen, um zwei Tage in der Wildnis zu überleben, ist schon ein riskantes Abenteuer, welches ich keinem Greenhorn anraten würde. Selbst mit einer Minimalausrüstung (Taschenmesser, Schlafsack, Wasserfilter) gibt es noch etliche Herausforderungen auf einer solchen Expedition zu bestehen. Wer sich ein solch spannendes Mikroabenteuer auf eigene Faust nicht zutraut, dem empfehle ich eine professionelle Survivalschule, von denen es mittlerweile einige in Deutschland gibt, und bei denen man dieses Abenteuer unter Anleitung erleben kann.
Welche Mikroabenteuer kannst du uns empfehlen? Wir freuen uns über einen Kommentar von dir zu diesem Thema.