Heute haben wir eine ganz kurze Etappe vor uns. Schon die Temperaturen am Morgen versprechen einen heißen Tag. Am Rhein-Main-Donau-Kanal sind wir der Sonne erbarmungslos ausgeliefert. Wir müssen unser Baby heute leider in Fahrtrichtung transportieren, damit die Sonne nicht direkt in den Anhänger brennt. Eine halbe Stunde früher gestartet, beeilen wir uns noch vor der Mittagszeit unser heutiges Ziel zu erreichen, was wir dann auch mühelos schaffen. Auf eine Weiterfahrt stellen wir uns heute nicht mehr ein. Dafür ist es einfach viel zu heiß. Den verbleibenden Tag halten wir uns im Schatten auf. Wir übernachten heute wieder einmal bei der Verwandtschaft meines Freundes in Nürnberg. Am Abend stellen wir unser Zelt im Garten der Familie auf. Unser Baby hat heute zum ersten Mal Probleme einzuschlafen.
Dafür wacht der Kleine am nächsten Morgen gegen sieben Uhr auf, um uns aus dem Zelt zu scheuchen. Anschließend schläft er selbstverständlich wieder ein, um gegen 9 Uhr, pünktlich zum Frühstück, wieder aufzuwachen und uns die Ohren voll zu jammern. Seine Laune ist heute nicht die beste.
Falsche Entscheidung getroffen – Was nun ?
Die Temperaturen steigen heute nochmals an, weshalb wir überlegen noch einen Tag hier zu bleiben. Zur Mittagszeit zeigt das Thermometer satte 34 Grad an. Den Tag verbringen wir ähnlich wie den gestrigen, im Schatten ausharrend und auf fallende Temperaturen wartend. Gegen 15 Uhr kommt ein leichter Wind auf und lässt es ein wenig kühler erscheinen. Paul ist fällig für seinen Mittagsschlaf, also könnten wir weiterziehen. Bis zum nächsten Campingplatz sind es nicht mehr als fünfunddreißig Kilometer. Eine Strecke, die am Kanal entlang schnell zu bewältigen wäre. Also satteln wir auf und machen uns auf den Weg. Während der Fahrt stellen wir leider fest, dass es nicht wie angenommen fünfunddreißig sondern fünfundvierzig Kilometer zu unserem heutigen Ziel sind. Wieder einmal muss ich die bittere Erfahrung machen, dass man sich nicht auf ungenaue Aussagen verlassen sollte, sondern immer genau wissen, wie weit es bis zum nächsten Ziel ist. Meine Stimmung sinkt auf den Nullpunkt. Unser Baby schreit, wir haben kaum noch Energie und es ist bereits 18 Uhr und noch zehn Kilometer zu unserem Ziel. Es gibt Situationen, an denen kann man scheitern oder wachsen. Wir entscheiden uns für letzteres.
Gegen 19 Uhr kommen wir an unserem Ziel, dem Rothsee, an. Dort soll es einen offiziellen Campingplatz geben. Tut es aber nicht. Man verweist uns hinter dem Seezentrum auf eine Wiese, dort dürfen wir ausnahmsweise übernachten. Wenigstens etwas! Nichts im Magen und völlig verschwitzt stellen wir in Windeseile unser Zelt auf. Langsam wird es schon dunkel und unser kleiner Mann muss dringend ins Bett. Es ist schon 21.30 Uhr als wir uns selbst in die Schlafsäcke mummeln. Nach wenigen Minuten klopft jemand an unser Zelt. Ein sogenannter „Umweltsheriff“ weist uns daraufhin, dass dies hier ein Naturschutzgebiet ist und wir unverzüglich unser Zelt abbauen müssen. Ich bin am Ende. Mit Engelszungen redet mein Freund auf die Wächter ein, dass wir ein Baby dabei haben und dieses gerade eingeschlafen ist. Schließlich kann er die Sache mit dem Besitzer des Seezentrums aufklären und wir dürfen bleiben.
Ruhe und Frieden am Rothsee
Am nächsten Morgen bin ich schlapp und müde. Dennoch sieht bei Tageslicht die Welt schon wieder besser aus. Paul scheint trotz der gestrigen Aufregung gut geschlafen zu haben, da seine Laune heute bestens ist. Es ist noch früh am Morgen und den Rothsee umgibt eine menschenleere, friedliche Stille. Wir genießen diese herrlich ruhige Morgenstimmung sehr und meine Heimreisepläne von gestern verflüchtigen sich mit dem leichten Wind, der mich im Nacken streichelt. Unser Baby spielt friedlich auf seiner Decke und wir genießen bei einer Tasse Tee den Blick auf den See und die versöhnliche Natur um uns herum. Nach dem gestrigen Abenteuer fahren wir wirklich nur noch so weit, wie wir wissen, dass es auch ganz sicher einen Campingplatz gibt. Unser heutiges Ziel heißt daher Brombachsee. Dieser liegt gerade einmal zweiunddreißig Kilometer von hier entfernt (das wissen wir sicher).
Heute wird es wieder sehr heiß werden. Wir cremen uns gut ein und verstauen den Prinzen sonnensicher, bevor wir am frühen Vormittag weiterziehen. Trotz der Tatsache, dass heute Sonntag ist, sind die Radwege zu dieser frühen Morgenstunde fast menschenleer. Wir alle drei genießen die ruhige Fahrt auf einsamen, schattigen Waldwegen, vorbei an goldenen Weizenfeldern und von Insekten bevölkerten bunten Blumenwiesen. Ein zartes Surren und Summen, das leise Rascheln der Bäume und Sträucher und das unaufhörliche Zwitschern der Vögel sind die einzigen Geräusche, die uns auf dieser kurzen Strecke begleiten. In einem schönen, fränkischen Lokal auf dem Lande legen wir eine lange Rast ein. Paul ist heute bester Dinge und flirtet mit der Wirtsfrau. Für die anderen Gäste sind wir eine Attraktion und ständig müssen wir die verschiedensten Fragen beantworten. Gegen 14 Uhr fahren wir weiter. Paul ist noch nicht müde genug und meckert ein wenig. Doch nach wenigen Metern sieht er die Dinge gelassener und schläft wieder ein. Wir befinden uns nun auf dem sogenannten »Planetenweg« Richtung Spalt. Dies ist ein schöner Fahrradweg, der auf einer alten Eisenbahntrasse angelegt wurde. Die frisch geteerte Strecke lässt sich wirklich sehr gut fahren und liegt in einer herrlichen Umgebung. Vom Brombachsee trennen uns nur noch wenige Kilometer. Zum Schluss müssen wir noch einen Berg bezwingen, bevor wir ins Tal an den künstlich angelegten See gelangen. Dort angekommen trifft uns fast der Schlag. Solche Menschenmassen haben wir hier nicht erwartet. Wir haben nicht bedacht, dass es Mitte August ist und in den heimischen Urlaubsgebieten der Bär steppt. Die Campingplätze um den See sind hoffnungslos überfüllt. Doch mit dem Babybonus bekommen wir noch einen klitzekleinen Stellplatz zugewiesen und dürfen eine Nacht bleiben. Wieder einmal sind wir nicht begeistert, doch sehen es etwas gelassener, da wir mit Überraschungen nun schon unsere Erfahrungen haben. Ich frage mich nur, wie mein Baby heute Abend bei dem Lärm um uns herum einschlafen soll. Ich fühle mich hier wie ein Hering in der Dose.