Der Spessart und seine Räuber – Wahre Geschichten und mystische Legenden
„Im Spessartwald, da hausen die Räuber.“ So oder so ähnlich beginnen viele Geschichten und Erzählungen über das waldreiche Mittelgebirge im Herzen Deutschlands. Das mit knapp 2.500 km² größte zusammenhängende Mischwaldgebiet der Republik war zu früheren Zeiten ein unzugängliches Gebiet aus dichten Wäldern und tief versteckten Tälern, in dem sich neben ehrbaren, aber bettelarmen, Bewohnern auch so manches „Gesindel“ von der Obrigkeit häufig unbemerkt herumtreiben konnte. Über den Spessart ranken sich daher viele abenteuerliche Geschichten, die weit ins Mittelalter zurückreichen und dem Waldgebiet einen weit über seine eigentlichen Grenzen hinaus berüchtigten und oft unheimlichen Ruf bescherten.
Warum gerade der Spessartwald zwielichtigen Gestalten und Räuberbanden als Zufluchtsort diente, liegt an seiner geografischen sowie lange Zeit politischen Lage. Bis in die Neuzeit hinein war das große und schwach besiedelte Waldgebiet des Spessarts mehreren Herrschaftshäusern unterstellt und wurde eigentlich immer von außen regiert. Diese politische Zersplitterung, in der es wenig bis keine grenzübergreifende Strafverfolgung gab, begünstigte das Aufkommen von Räuberbanden, die sich durch ständige Grenzübertritte den Herrschenden immer wieder entziehen konnten. Das Queren des Spessartwaldes auf bekannten Handelsrouten – wie der historischen Birkenhainer Landstraße – wurde für Geschäftsreisende so zu einem gefährlichen Wagnis.
War ein Wilderer aus dem Spessart der deutsche Robin Hood?
Der bekannteste und wohl berüchtigtste Räuber des Spessarts ist ohne Zweifel der Erzwilderer Johann Adam Hasenstab. Der im tiefen Spessart geborene Sohn eines Jägers war der einzige, der die Wilderei zu seinem Haupterwerb machte und ganze Wilderer- und Räuberbanden befehligte. Seine Lebensgeschichte liest sich wahrlich wie das Epos eines edlen Räubers, der die Herrschenden an der Nase herumführt und vom einfachen Volk dafür verehrt und geliebt wird.
Johann Adam Hasenstab, der im Spessart auch als Hannadel bekannt war, wurde 1716 in Rothenbuch geboren. Wie sein Vater stand der junge Mann zunächst als Jagdgehilfe und Knecht im Dienst der Mainzer Kurfürsten. Durch die strengen Jagdgesetze, die im Spessart herrschten, bekam Hasenstab jedoch bald Schwierigkeiten mit seinen Dienstherren. Der geschickte Jäger besserte sich immer häufiger mit der Wilderei seinen geringen Sold auf. Auch ein Wechsel der Dienstherren konnte ihn nicht von der Wilderei abbringen.
Die Geschichte des Johann Adam Hasenstab ähnelt tatsächlich der des Englischen Volkshelden Robin Hood (dessen Existenz jedoch nicht bewiesen ist). Wie in der Sage von Robin Hood wurde der Wilderer Hasenstab vom armen Volk bewundert und verehrt, da er zu seiner Zeit der einzige war, der sich gegen die Obrigkeit auflehnte und dabei so geschickt und erfolgreich war. Die armen Bauern profitierten nämlich nicht von den künstlich hochgehaltenen Wildbeständen in den Spessartwäldern – ganz im Gegenteil. Ihre kläglichen Ernten wurden durch übermäßigen Wildfraß noch geschmälert. Johann Adam Hasenstab gab sich dagegen großzügig und ließ die Bevölkerung an seinen Raubzügen teilhaben. Auch die Wildbestände gingen Aufgrund der Wilderei zurück, womit die Ernten der Bauern ihre Familien wieder ernähren konnten. Es war eine win-win-Situation für beide Seiten. Der Wilderer Hasenstab konnte sich ungeniert am Wild der Obrigkeit bedienen und das Volk unterstützte ihn auf seiner Flucht vor den Regierenden.
Der mehrmals für vogelfrei erklärte Hasenstab wurde über die Jahre zum Volkshelden. Je mehr der dreiste und gerissene Wilderer bei der Mainzer Regierung verhasst war, umso höher stieg sein Ansehen bei der einfachen Bevölkerung im Spessart. Zweimal konnte er gefasst werden, entkam aber immer wieder auf spektakuläre Weise seinen Verfolgern. Es schien wirklich mit dem Teufel zuzugehen und im Volk murmelte man, der Wilderer Hasenstab besäße übernatürliche Kräfte. Über 25 Jahre lang dauert sein Wirken in den Spessartwäldern an, bevor er schließlich der Erzählung nach einen heldenhaften Tod starb. Die Legende des größten Helden des Spessarts war geboren.
Der Hasenstabweg – auf den Spuren des Erzwilderers Johann Adam Hasenstab
Heute erinnert ein 65 Kilometer langer Rundwanderweg an den Volkshelden des Spessarts. Von dem Geburtsort des Wilderers (Rothenbuch) führt der Hasenstabweg zunächst über die Höhe ins Hafenlohrtal zum ehemaligen Kurmainzer Gestüt Lichtenau mit der dazugehörigen Waldschänke Zum Hohen Knuck. Dieses Gasthaus existierte schon zu Hasenstabs Zeiten und der Wilderer war dort ein gern gesehener Gast. Im Hafenlohrtal steigt der Hasenstabweg über den Bayersberg wieder auf eine Höhe von über 500 Meter an. Nach 14 Kilometern erreicht man das Forsthaus Sylvan, das im wildromantischen Weihersgrund liegt.
Über den Weihersberg gelangt man nach Bischbrunn, eine kleine Gemeinde im Hochspessart. Weiter führt der Hasenstabweg über die Höhenzüge des Spessarts ins nahegelegene Schollbrunn, das man nach ca. 30 Kilometern erreicht hat. Im nahegelegenen Haseltal und Kropfbachtal ließ sich der Wilderer Hasenstab immer wieder nieder. Hier stießen die drei Herrschaftsgebiete Mainz, Würzburg und Wertheim aufeinander. Das nutzte der Wilderer für seine Zwecke geschickt aus. Hinter Schollbrunn beginnt das Kropfbachtal, in dem der Wilderer Hasenstab schließlich nach über 25 Jahren Flucht erschossen wurde.
An der Wolfsbuche (nach ca. 36 km) erinnert das Hasenstabkreuz an den Erzwilderer. Das steinerne Kreuz wurde von den Bewohnern des Spessarts aus Anerkennung und in Erinnerung an ihren Helden nach seinem gewaltsamen Tod gestiftet. Tatsächlich wurde Johann Adam Hasenstab im Jahre 1773 auf dem Friedhof in der südlich von Schollbrunn gelegenen Ortschaft Breitenbrunn begraben.
Weiter führt der Hasenstabweg über die Höhenzüge des südlichen Hochspessarts bevor er bei Dammbach wieder ins Tal führt. In Richtung Norden führt der Hasenstabweg noch einmal auf die Höhen des Spessartwaldes, die ebenfalls zu den Jagdgründen des Erzwilderers gehörten. Bei Weibersbrunn quert man die Autobahn A 3. Nach einem letzten Anstieg und knapp 8 Kilometern erreicht man wieder Rothenbuch, der Geburtsort des Wilderers Johann Adam Hasenstab.
Weitere Informationen über den Hasenstabweg findet man unter Naturpark-Spessart.de.
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