Wie der EB uns das Fluchen lehrte….
„Schei…, jetzt haben wir uns schon wieder verlaufen. Es ist zum verrückt werden!“ Völlig erschöpft und extrem genervt lasse ich mich auf die nächstbeste Bank plumpsen. „Ich habe keine Lust mehr. Es nervt.“
Seit wir dem Rennsteig den Rücken gekehrt haben, läuft nichts mehr so wie zuvor. Schon an unserem ersten Wandertag im Schwarzatal sehnen wir uns auf den Rennsteig zurück. Mit dem Verlassen des Rennsteigs in Neuhaus am Rennweg fühlt man sich als Wanderer wie in einem Niemandsland, in dem man oft völlig orientierungslos herumirrt. Tatsächlich wird die Beschilderung des EB ab diesem Zeitpunkt grottenschlecht im Vergleich zum Rennsteig, wo man bei jedem auch nur kleinsten Abzweig ein Schild oder eine Markierung vorfindet. Hier im Schwarzatal wird die Beschilderung des EB zunächst ein blaues Kreuz, was eigentlich das Zeichen des Europäischen Fernwanderwegs E 3 ist. Hier und da klebt mal ein kleiner unscheinbarer EB-Aufkleber an irgendeinem Straßenschild, so als wolle er uns sagen: „Ich bin noch hier.“ Aber eine lückenlose, und vor allem deutlich dem EB zuordenbare, Wegemarkierung wird man ab jetzt nicht mehr vorfinden. Und das gilt wohlgemerkt für die restlichen 2.588 Kilometer. Spoiler: Wir werden uns daran gewöhnen und unseren Orientierungssinn über die nächsten Monate verbessern, aber jetzt und hier im Schwarzatal könnte man echt verzweifeln.
Dabei hatte alles so schön angefangen im Thüringer Schiefergebirge. Am ersten Abend finden wir einen Campingspot, der schön versteckt ist und dennoch so offen liegt, dass wir eine grandiose Aussicht genießen können. Noch wissen wir nicht, dass dieser Spot einer der schönsten der gesamten Reise werden wird. Überhaupt ist diese Region landschaftliche unglaublich reizvoll und vielfältig. Die Städte und Dörfer zeugen von den hiesigen Bodenschätzen, dem Schiefer, und das hügelige Land mit seinen wasserreichen Tälern ist ein reizvolles Wandergebiet im Herzen Thüringens.
Der EB im Schwarzatal – sehr schön, aber…..
Ganz besonders reizvoll ist der EB-Abschnitt im Schwarzatal zwischen Oberweißenbach und Bad Blankenburg. Ein großer Teil dieses engen Talkessels ist Naturschutzgebiet und zählt zu den ältesten Schutzgebieten Thüringens. Durch seine teilweise steilen Berghänge, die sehr dichte Bewaldung und die Enge des Tales, durch das der dunkle Fluss sich schäumend schlängelt, besitzt das Schwarzatal einen Wildbach-Charakter, wie man ihn eher selten in Mittelgebirgen vorfindet.
Für uns war das Schwarzatal jedoch eine mittlere Katastrophe, da wir uns auf diesen 20 Kilometern, trotz digitaler Navigation, mindestens fünfmal verlaufen haben. Es war eine nervenaufreibende und schweißtreibende Angelegenheit, auch wenn es an diesem Tag eher regnerisch und wesentlich kühler war als die Tage zuvor. Wir haben Berge erklommen, die wir vielleicht gar nicht hätten besteigen müssen, weil wir schließlich unserem Navigationsgerät mehr vertrauten als den spärlichen Beschilderungen, die irgendwann überhaupt nicht mehr vorhanden waren. Dafür konnten wir von den Bergen aus wunderschöne Blicke ins Tal genießen. Hat ja auch was für sich.
Ein good to know für Wanderer, die nicht ausschließlich am EB interessiert sind, gibt es auch für das Schwarzatal. Der regionale Rundwanderweg Panoramaweg Schwarzatal folgt dem gesamten Flusslauf und führt darüber hinaus bis zum Rennsteig und wieder zurück. Mit seiner Länge von 136 Kilometern ist sicherlich ein reizvoller Wanderweg für einen einwöchigen Wanderurlaub. Seine Markierung, ein rotes Dreieck auf weißem Grund, haben wir im Schwarzatal häufiger gesehen als das Zeichen des EB.
Das Thüringer Meer und der Naturpark Thüringer Schiefergebirge, Obere Saale
Mit Bad Blankenburg endet das sehenswerte Schwarzatal. Es folgt eine weniger schöne Etappe über die Stadt Saalfeld, die mit fast 15 Kilometern Asphalt die Füße schon arg strapaziert. Solche unerfreulichen Streckenabschnitte werden wir auf dem EB noch häufiger erleben, aber dazu in den folgenden Reiseberichten mehr. Auch hier ist das Sich-verlaufen-Potential durch die mäßig gute Beschilderung sehr hoch.
Das als „Thüringer Meer“ bezeichnete Gebiet ist eine Stauseeregion, die in den 1930 Jahren angelegt wurde. Sie ist mit 70 Kilometern Staulänge eines der größten künstlichen Gewässer Europas, und hat für die Region neben der Stromversorgung auch eine große Bedeutung für den Tourismus. Der EB durchläuft die Stauseeregion komplett, und nimmt dabei mehr Schleifen mit, als einem als Wanderer lieb ist. Gefühlt hat man nach vier Tagen die Stauseen von allen Himmelsrichtungen erwandert und gesehen. Die Wanderwege am Thüringer Meer sind wieder reizvoller. Hauptsächlich wandert man auf gut begehbaren Schotterstrecken, die auch mal tiefer in den Wald führen können. Aber auch die zu bewältigenden Höhenmeter sind nicht zu verachten. Dafür genießt man immer wieder schöne Ausblicke auf die Stauseen und den Fluss Saale, der sich in vielen engen Windungen durch die Täler des Ostthüringer Schiefergebirges schlängelt.
Was man als EB-Wanderer unbedingt beachten sollte, ist, dass es in dem gesamten Gebiet der Oberen Saale wenige Möglichkeiten der Lebensmittelnachbeschaffung gibt. So ist es uns zum ersten Mal auf einer Wanderung überhaupt passiert, dass uns die Lebensmittel ausgingen und wir auf unsere Notreserven zurückgreifen mussten. Trotz der Tatsache, dass das Gebiet touristisch gut erschlossen und mit zahlreichen Campingplätzen und Gaststätten versehen ist, haben letztere nicht immer geöffnet. Unser Eindruck war (und das gilt für ganz Thüringen und Sachsen), dass die Gastronomie in den genannten Bundesländern ein sterbendes Gewerbe ist. Viele Restaurants haben entweder längere Schließzeiten (Montag bis teilweise einschließlich Mittwoch) oder sie haben schon ganz aufgegeben. Dies sollte man als Wanderer wissen und lieber ein bisschen mehr mit sich herumtragen, damit man sich nicht – wie wir – zwei Tage von Nussmischungen ernähren muss.
Das Gebiet um die Stauseen und Obere Saale bietet neben dem EB noch einen weiteren interessanten, kürzeren Fernwanderweg. Der Hohewarte Stauseeweg folgt auf 75 Kilometern dem kompletten Stausee von Hohewarte bis Ziegenrück und wieder zurück. Das Plus dieses Rundwanderwegs sind die vielen Campingplätze rund um den künstlichen See, womit man als Zeltreisender sicher jeden Abend einen Schlafplatz findet. Die Markierung ist ein roter Punkt auf weißem Grund.
Der EB im Thüringer Schiefergebirge – unser Fazit
Im Großen und Ganzen ein sehenswerter und in seiner Ganzheit einfach zu begehender Abschnitt des EB. Als einziges Manko sehen wir die häufig schlechte Markierung des Weges, was sie allerdings mit vielen Gebieten des EB teilt (dazu werde ich weiterhin berichten). Wer einen solch langen Fernwanderweg, der dazu auch noch durch mehrere Länder führt, in seiner Gänze wandern möchte, muss immer mit guten und weniger gut markierten Teilabschnitten rechnen. Das ist eben so. Wir haben im Laufe unserer Wanderung gelernt das Ganze nicht zu verkrampft zu sehen. Mal sind wir unserer digitalen Navigation gefolgt, mal den Wegweisern, wenn diese nicht mit unserer Wander-App übereinstimmten. Unser Bauchgefühl entschied in der jeweiligen Situation. Damit sind wir zwar nicht immer zu einhundert Prozent richtig, d.h. auf dem EB, gelaufen, aber am Abend stets an unserem Etappenziel angekommen. Und das ist ja das Wichtigste.
oder weiter zum nächsten Reisebericht →
Für alle Informationen auf dieser Seite habe ich viel Mühe und Zeit investiert, um sie jedem zur Verfügung zu stellen. Da alle diese Informationen aus ersten Hand sind und ich persönlich keinerlei finanziellen, oder sonstigen, Vorteil davon habe, freue ich mich besonders über ein Feedback von dir in Form eines Kommentars. 🙂