Der EB im Erzgebirge – 230 km Grenzerfahrung im Osten Deutschlands

Erzgebirge

Dem Osten so nah oder doch schon im Nahen Osten ?

Die Sonne brennt erbarmungslos vom wolkenlosen Mittagshimmel auf uns herab. Im gleißenden Licht setze ich langsam und mühselig einen Schritt vor den nächsten. Schweiß rinnt aus allen Poren meines Körpers, sammelt sich zu kleinen Bächen, die über den Rücken, die Arme, Beine und im Gesicht die Schläfen hinunterrinnen. Mein Mund und meine Lippen sind so trocken, dass ich alle paar Meter anhalten und einen kleinen Schluck aus meiner Wasserflasche nehmen muss, die in kürzester Zeit bedrohlich leerer wird. Was ist, wenn mir das Wasser ausgeht? Die angstvolle Überlegung wische ich mir mit einer schnellen Handbewegung samt Schweiß vom Gesicht und blicke sorgenvoll in die Ferne, in der die Konturen meines Weges und der Himmel miteinander verschmelzen.  Schemenhafte Gebilde entstehen vor meinen Augen, bei denen man nicht wirklich erkennen kann um was es sich handelt. Sind das in der Ferne die Häuser einer Siedlung oder nur einzelne Bäume, von denen ich kein Wasser erwarten kann? Ich hoffe, inständig, dass es sich um Häuser handelt, denn dort gibt es frisches Trinkwasser. Das Rätsel der Fata Morgana löst sich mit meinen mühevollen Schritten auf dem staubigen Weg allmählich auf. Es sind Häuser. Hurra, wir sind gerettet!

Das Erzgebirge
Im Erzgebirge erleben wir ungewöhnlich heiße Tage

Ein Sommer im Erzgebirge

Schöne Grüße aus dem OstenDies ist keine Szene aus einem Hollywood-Wüstendrama, sondern spielte sich (vielleicht nicht ganz so dramatisch) während unserer Wanderung an einem heißen Sonntagnachmittag auf einer staubigen Sandpiste zwischen endlosen Weizenfeldern im sächsischen Erzgebirge ab. Die sommerliche Hochwetterlage ist seit Beginn unserer Wanderung unverändert geblieben. Um ehrlich zu sein, wird es zu unserem Unmut jeden Tag ein bisschen heißer. Weit über 30 Grad im Schatten sind eben keine optimalen Bedingungen für eine Langstreckenwanderung mit schwerem Gepäck. So geschah oben erwähnte Szene an einem brütend heißen Sonntagnachmittag, als uns doch tatsächlich fast die Wasservorräte ausgingen. Zum ersten Mal auf einer Wanderung überhaupt. Das durfte natürlich kein weiteres Mal passieren, und so stockten wir unsere Wasservorräte auf, auch wenn das für unseren Rücken noch mehr Gewicht bedeutete. Auf sprudelnde Wasserquellen kann man sich selbst im waldreichen Erzgebirge während der Sommermonate nicht mehr verlassen. Und bei dieser Hitze steigt der Wasserbedarf auf weit mehr als 4 Liter pro Tag und Person. Dennoch können wir uns glücklich schätzen, dass wir in dieser heißen Phase im Erzgebirge unterwegs sind, denn hier sind die Temperaturen erheblich niedriger als im Tiefland. Die Sommer sind auf den Kammhöhen des Erzgebirges, welche selten unter 800 m üNN liegen, deutlich kühler und die Jahresmitteltemperaturen liegen im einstelligen Bereich. Das obere Erzgebirge trägt sogar den Beinamen Sächsisches Sibirien.

Aue Bad Schlema im Westerzgebirge
Die Ortschaft Aue Bad Schlema im Westerzgebirge

Ein weiterer Vorteil des Erzgebirges für das Wandern in dieser heißen Jahreszeit ist seine starke Bewaldung, wodurch die Wanderwege meist gut beschattet werden. Alles andere wäre unter den aktuell vorherrschenden Bedingungen auch nicht tragbar bzw. wanderbar. Not macht erfinderisch, und so versuchen wir während den Wanderungen einen kühlen Kopf zu bewahren, indem wir feuchte Tücher (richtig tropfend nass) über denselben legen. Dies kühlt neben dem Haupt auch die Gemüter runter, falls man mal wieder völlig genervt angesichts der unerträglichen Temperaturen das Handtuch schmeißen möchte. Das tun wir allerdings in jedem Bach, der uns entgegenkommt, denn die dünnen Tücher werden binnen kürzester Zeit wieder trocken und der kühlende Effekt verpufft in der heißen Sommerluft.

Schwarzwassertal
Herrliche Kühle zur Abwechslung – das Naturschutzgebiet Schwarzwassertal

Auf halbem Wege Richtung Sächsische Schweiz kommen wir in den Genuss von Sommergewittern, die für einen oder zwei Tage niedrigere Temperaturen und wechselhaftes Wetter mit sich bringen. Diese Erleichterung hält jedoch nicht lange an. Der Sommer will sich im Erzgebirge noch nicht geschlagen geben.

Trüber Tag im Erzgebirge
Trotz vereinzelt trüber Tage, der Sommer gibt nicht auf im Erzgebirge

Wanderalternative im Erzgebirge – der Kammweg

Ein sehr bekannter Fernwanderweg in der Region Erzgebirge ist der Kammweg Erzgebirge–Vogtland. Dieser ist vielleicht noch bekannter als der EB, da er seit 2011 zu den Top Trails of Germany gehört. Wie es der Fernwanderweg Kammweg Erzgebirge–Vogtland auf die Liste der Besten Wanderwege Deutschlands geschafft hat erstaunt mich, da die Konkurrenz an Top Fernwanderwegen in Deutschland bekanntlich sehr hoch ist, und der Kammweg aus meiner Sicht keine besonderen landschaftlichen Höhepunkte bietet.

Auf dem Kammweg im Erzgebirge
Kammweg und EB verlaufen im nördlichen Erzgebirge identisch

Der KammwegDer Kammweg Erzgebirge–Vogtland startet (oder endet) in Blankenstein (am Ende des Rennsteigs) in Thüringen und führt auf einer Länge von 289 Kilometern zunächst durch das Vogtland und später über den Hauptkamm des Erzgebirges bis zur Ortschaft Geising im nördlichen Osterzgebirge. Der EB begegnet dem Kammweg im Vogtland und Erzgebirge immer wieder, da auch er sich häufig auf dem Höhenkamm im Grenzgebiet zu Tschechien bewegt. Vor allem im nördlichen Erzgebirge sind beide Fernwanderwege auf lange Strecken identisch. Der EB macht jedoch immer wieder Ausreißer in niedrigere Gefilde, weshalb auf dem EB in Summe mehr Höhenmeter zu bewältigen sind als auf dem Kammweg. Markiert wird der Kammweg Erzgebirge–Vogtland mit einer blauen Aufschrift Kamm über einem ebenfalls blauen Balken auf weißem Grund.

Die brühteste Ortschaft des Erzgebirges Seiffen
Die wohl berühmteste Ortschaft des Erzgebirges ist der Kurort Seiffen
Erzabbau im Erzgebirge
Der Bergbau hat im Erzgebirge eine lange Tradition

Der EB im Erzgebirge – unser Fazit

Alte Wandertafel des EB
Immer noch auf dem EB unterwegs

Mit dem Erzgebirge erreicht man das – aus unserer Sicht – erste nennenswerte Gebirge auf dem EB. Die Anstiege werden zahlreicher und deutlich anspruchsvoller. Landschaftlich hat das Erzgebirge wieder mehr zu bieten als das Vogtland, wobei auch hier in erster Linie dichte und dunkle Wälder das Landschaftsbild prägen. Beim Wandern im Hochsommer ist das sicherlich ein Vorteil. Zu anderen Jahreszeiten dagegen können die dunklen (zumeist) Nadelwälder bedrückend kühl wirken. Tatsächlich hatten wir in diesen zwei unglaublich heißen Sommermonaten unserer Wanderung die kältesten Nächte im Erzgebirge. Die natürliche Kälte dieses, von dichten Wäldern geprägten, Gebirges war förmlich zu spüren. Selbst an heißen Tagen waren die Winde auf dem Kamm des Erzgebirges erfrischend kühl, und wenn am Abend die Sonne untergegangen war, fielen die Temperaturen dramatisch in niedrige, einstellige Bereiche ab. Das sollte man als Zelt-Wanderer wissen, wenn man im Erzgebirge unterwegs ist. Campingplätze gibt es erfreulicherweise entlang des EB im Erzgebirge wieder zahlreicher. Die tägliche Lebensmittel- und Wasserversorgung stellt im Erzgebirge kein Problem dar, da man jeden Tag an Ortschaften vorbeikommt. Hin und wieder finden sich Wasserquellen in den Wäldern, aus denen wir auf Höhen über 800 Meter immer ohne Bedenken unsere Wasserflaschen nachgefüllt haben.

Sommertage im Ergebirge
Auf heiße Sommertage im Erzgebirge folgen oft kühle Nächte

Die Markierung und Beschilderung des EB ist im Erzgebirge wieder etwas besser, wenn auch nicht mehr so optimal wie auf dem Rennsteig. Bei den Markierungen wechseln sich auch hier die typisch rot-weißen des EB mit den blau-weißen des E 3 ab. Als einziger Nachteil des Erzgebirges muss ich leider schon wieder die endlos langen Asphaltstrecken erwähnen, die sogar häufig abseits von Siedlungen bis tief in die Wälder hinein führten. Echt ätzend! Spoiler: Am Ende des Sommers sollte ich Blattfüße haben und größere Schuhe benötigen. Na denn….

Hinweistafel des E 3
Eine der wenigen Hinweistafeln des großen Bruders des EB – der E 3

Der heiße Sommer fordert seinen Tribut – im nördlichen Erzgebirge endet der EB für uns – zunächst…

Zwei Tage vor unserer Ankunft in Königstein an der Elbe sehen wir auf den Höhenzügen des nördlichen Osterzgebirges eigenartige Wolkengebilde über der fernen Sächsischen Schweiz, welche uns seltsam und nicht natürlichen Ursprungs erscheinen. Das Rätsel um die seltsamen Wolkenberge, die erschreckenderweise wie ein kleiner Atompilz aussehen, löst sich mit der Ankunft am Campingplatz in Altenberg. Wir erfahren, dass es in der Böhmischen Schweiz einen Großbrand gibt, der am berühmten Prebischtor in Tschechien ausgebrochen sein soll. Weiter Informationen, inwiefern dieser Brand die Sächsische Schweiz und den EB betrifft erhalten wir nicht. Doch auch das bekannte Prebischtor liegt auf der Route des EB. Bestürzt sehen wir uns diesen Streckenabschnitt an und stellen fest, dass das Feuer direkt auf unserer Route liegt. Eiligst überlegen wir uns Ausweichrouten, aber es sollte noch schlimmer kommen.

Der Blick in die Sächsische Schweiz trübt
Der schöne Blick in die Sächsische Schweiz trügt

Am darauffolgenden Tag erfahren wir die ganze Dimension des Geschehens, das noch schlimmer ist als wir uns das in unseren kühnsten Träumen hätten vorstellen können. Ein großer Teil der Böhmischen Schweiz steht in Flammen und das Feuer greift bereits auf die Sächsische Schweiz über. Der Landrat hat aus diesem Grund ein Betretungsverbot aller Wälder der Sächsischen Schweiz inklusive des Naturschutzgebietes Pfaffenstein, in dem wir uns gerade befinden, erlassen. Somit endet unsere Reise auf dem EB unerwartet nach 700 gelaufenen Kilometern mit der Ankunft in Königstein an der Elbe. Ein Weiterkommen ist vorerst nicht möglich, da auch alle Grenzübergänge in der Region geschlossen sind. Wir sind gestrandet, aber nicht mutlos. Blitzschnell werden Überlegungen angestellt und eine schnelle Entscheidung getroffen. Wir fahren erst einmal nach Hause, um in Ruhe unsere Weiterreise zu planen. Dies dauert nur ein langes Wochenende. Schon in der darauffolgenden Woche starten wir erneut auf dem EB im Lausitzer Bergland in Tschechien.

Im Erzgebirge
Das Erzgebirge wir uns in guter Erinnerung bleiben

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