Reisen mit Jugendlichen durch Kanada – Von der Pazifikküste in die Prärien 3. Teil – der Grasslands Nationalpark in der Provinz Saskatchewan

Ein Reisebericht von Volker Otter

Der Grasslands Nationalpark in Saskatchewan

Das Örtchen Val Marie

Östlich der Rockies zeigt sich die Sonne manchmal zwischen dicken Wolken, vorbei an Medicine Hat auf dem Transcanada-Highway. Die Landschaft wird immer trockener, links und rechts welliges Grasland. Der milchig blaue Himmel spannt sich über alles. Die letzten 50 Kilometer fahren wir auf Nebenstraßen. Wir kreuzen kleine Flüsse, rumpeln durch einsames Prärieland, kleine Ranches, manchmal ein kleines Dorf (Cadillac), Kühe, Weite, verlassene Holzhäuser, hier besser keine Reifenpanne haben, wir sind das einzige Auto weit und breit, mitten im Herzen Nordamerikas. Und irgendwann kommen wir nach Val Marie, dem freundlichen Örtchen mit dem Visitor Center am Eingang des Grasslands Nationalparks. Val Marie, alles, was man braucht, hier könnte man bleiben, Schule, Einkaufsladen, Kneipe. Val Marie, mit dem wunderschönsten kleinen Campingplatz ever (mit top sauberer Dusche), mit den alten Getreidesilos und dem Prairie Wind & Silver Sage Café mit tollem Buchladen, Kultur und Museum, mitten in einer 160 Menschen Gemeinde umgeben von Weite und Prärie, wer hätte das gedacht. Wir fühlen uns wohl und nicht mehr auf der Flucht aus dem Banff National Park, was wollten wir da noch mal, wenn wir jetzt hier sein können, alles bei abendlichen 25 Grad und einem lauen Lüftchen. Hier soll’s morgen losgehen mit unserer Trekkingtour. Das ist gut so. Zwei Tage nördlich des Flusses zum Campground des Grasslands Nationalparks, zwei Nächte dort und dann auf der südlichen Flussseite zurück, das Meiste ohne Weg oder Pfad, querfeldein durch die Prärie. Wir sortieren alles vor und fallen ins Zelt und in die Schlafsäcke.

Grasslands – Frenchman River
Ein Steilufer im Grasslands

Wir lassen uns fürs Backcountry registrieren und fahren ca. 15 Minuten zum Two Trees Trailhead auf der südlichen Seite des Frenchman River, lassen das Auto dort stehen, noch ein Foto, dann starten wir ins Abenteuer. Jeder trägt seinen Rucksack, das Trinkwasser für die nächsten zwei Tage schleppen wir mit uns. Das spärliche Flusswasser hatte ich 1997 (ein trockenes Jahr) zwar getrunken, aber nur stark mit Jod versetzt und das war grässlich. Jetzt also alles auf dem Rücken, der Fluss ist nach einem regnerischen Frühsommer ein richtiger knietiefer Fluss mit lehmigen Flussbett zwischen steilen Ufern. Da müssen wir erstmal durch, um auf die Nordseite zu kommen. Der trockene Lehm ist wie Beton, also schnell runter damit von den Füßen und den Beinen, auch von den Sandalen, dann die Steilufer hoch mit den schweren Backpacks, absolutes Teamwork, immer mit einem Auge auf Klapperschlangen achten. Im hohen Gras gehen wir meistens hintereinander, der Erste hat zumindest Gamaschen an, falls mal eine Klapperschlange übersehen wird. Letztlich sind wir auf keine einzige Schlange getroffen, Vorsicht ist trotzdem angesagt und auch mit allen besprochen. Nachdem wir uns unterhalb des 70 Mile Butte, einer alten Landmarke der Mounties, durch das angrenzende Hügelland hinaufarbeiten, haben wir einen Blick in die Weite des Frenchman River Tals. Pfade gibt es hier nicht. Wir steigen wieder ab, treffen auf einen Felsen mit abgerundeten Kanten, an denen sich über tausende von Jahren Bisons gerieben haben. Immer schrecken wir Maultier- und Weißwedelhirsche auf, abgeworfene Geweihe sind keine Seltenheit.

Grasslands Nationalpark

Wir bauen unsere Zelte zwischen Salbeisträuchern unweit einer Präriehundkolonie auf und genießen die Stille, die Abendsonne, lauschen dem Abendkonzert der Kojoten, das abrupt abbricht, als die Sonne tiefer sinkt, die Schatten lang werden. Jeder ist in eigenen Gedanken, zufrieden, irgendwie innerlich still und friedlich, auch die Kinder. Im Gespräch kommt bei ihnen der Gedanke, wie es wäre, wenn man hier allein wäre. Dann würde man doch irgendwie zu sich finden.

Zelten im Grasslands – ein Campingtraum

Am nächsten Tag verschwindet der Wind und die Mücken kommen, der Frühsommer war feucht, überall noch Wasserlachen in den Lehmrissen und Mückenlarven… Wir wandern durch Präriehundkolonien, sehen entfernt zwei Bisonbullen einen Hügel hochziehen. Das Mückenmittel wird schnell wieder ausgeschwitzt, lange Hosen und Hemden bei 28 Grad sind auch nicht schön. Auf der Sandpiste, die durch den Park führt, sammelt uns ein Ranger mit seinem Pickup ein und fährt uns die letzten drei Kilometer zum Campground, der schön über dem Fluss gelegen ist, einen mückenfreien Raum bietet und Trinkwasser (das allerdings gechlort schmeckt). Hier verbringen wir zwei Nächte. Der Nationalpark Service feiert mit mehreren Sahnetortenblechen Geburtstag. Lecker. Schön, sich mit verschiedensten Leuten zu unterhalten. Nachts sieht man die Hand vor Augen nicht, der Grasslands Nationalpark ist eine absolute dark sky area mit einem Sternenhimmel sondergleichen.

Grasslands – National Park Campground

Am nächsten Tag wandern wir mit Tagesgepäck den Broken Hills Trail und erkunden damit gleich den Einstieg in den Rückweg morgen auf der anderen Seite des Flusses. Herrliche Hügel und Ausblicke. Die Prärien sind sehr unterschiedlich, unten am Fluss oder oben auf den Plateaus und in den Coulees, den Trockentälern mit ihrer Vegetation, gespeist durch versickernden Regen. Abends müssen wir leider feststellen, dass diese niedlichen zutraulichen Gopher, Verwandte der Präriehunde, sich durch unser Zelt genagt haben, um an unser Studentenfutter zu kommen. Doch nicht so süß, ab sofort verjagen wir sie mit Steinen und kleben das Loch mit Leukoplast ab.

Grasslands – auf Tierpfaden am Frenchman River

Früh am nächsten Morgen packen wir zusammen und wandern zuerst noch auf dem Broken Hills Trail in die Hügellandschaft und Welt der Plateaus und Coulees südlich des Flusses, der danach unsere Orientierungsmarke bleibt. Zwei Tage zurück waren geplant. Unsere Kinder entscheiden, dass wir das auch in einem Tag (16 km) schaffen. Los geht’s! Wo wir genau sind, wissen wir nicht immer, da wir nur die Karte des National Park Services haben (es gibt keine reguläre aktuelle topographische Karte), aber wir orientieren uns an den Himmelsrichtungen, am Verlauf der Coulees und des Flusses. Wir passieren Ranchland außerhalb des Parks, hatten aber vom Campground die Besitzer um Erlaubnis gefragt. Den Two Trees Trailhead sehen wir in der Ferne schon seit Stunden, müssen aber den Windungen des Flusses folgen. Erschöpft und glücklich erreichen wir unser Auto, fischen uns vier ziemlich warme Dosen Pepsi aus dem Fußraum und stoßen an auf unser großes Trekkingabenteuer. Wir haben zusammen durchgehalten, die 16 Kilometer wurden zum Schluss ganz schön lang, unser Großer hat den Schrittmacher gemacht, unser Jüngster mit seinen 13 Jahren hat’s durchgezogen und auch wir sind ganz schön erschöpft und freuen uns auf den besten Zeltplatz ever in Val Marie mit seiner Dusche. Wir machen große Wäsche, der Präriewind ist besser als jeder Trockner. Gönnen tun wir uns noch lecker Kaffee und Home Made Lemonade im Prairie Wind & Silver Sage Café im alten Schulhaus von Val Marie und lassen den Tag dort ausklingen.

Morgen geht’s weiter zu einem anderen Ort in den Prärien, dem Writing-On-Stone-Provincial Park am Milk River in Alberta. Wir sind tiefenentspannt hier in den sommerlichen Prärien Saskatchewans, mal sehen, was uns Alberta so alles bietet, wir sind offen für alles.

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