Eine Tour, die so richtig ins Wasser fiel!
Schon vor Beginn unserer geplanten Radtour auf dem Rheinradweg in Deutschland und Frankreich stand diese unter keinem guten Stern. Seit Wochen schon hielt sich über Süddeutschland ein hartnäckiges Tiefdruckgebiet, welches uns für diese Jahreszeit (Anfang Juni) ungewöhnlich kalte Temperaturen bescherte. Und nicht nur das. Wie es einem Tiefdruckgebiet selbstverständlich zusteht, auch noch reichlich Niederschläge. Eine unheilvolle Kombination, welche dem gemeinen Sonntagsradler gehörig den Spaß an seiner Lieblingsbeschäftigung – dem Fahrrad fahren – vermiesen kann.
Leider änderten meine täglichen Besuche kurz vor dem geplanten Reisestart in allen nur möglichen Wetterseiten des www nichts an dieser tristen Aussicht, denn überall – wie verwunderlich – zeigten die Wetterprognosen für die kommenden Tage und Wochen das gleiche unschöne Bild: An der derzeitigen Wetterlage sollte sich so rein gar nichts ändern. Im Gegenteil. Die Vorhersagen versprachen sogar noch partielle Wetterverschlechterungen – wie schön! In schlechten Nachrichten sind sich mal wieder alle so was von einig. Lange überlegten wir Erwachsenen daher, ob wir diese Reise überhaupt antreten sollten. Unsere Kinder dagegen stellten diese Radtour zu keiner Zeit Infrage. Nein, sie konnten es gar nicht abwarten endlich zu starten, denn……., sie hatten ein Ziel vor Augen: den Europapark in Rust.
Bei jeder Fahrradreise suche ich ein besonderes Reise-Highlight für unsere Kinder aus, was in diesem Jahr der größte Freizeitpark Deutschlands an der deutsch-französischen Grenze bei Rust sein soll. Vielleicht hätte ich das Kinder-Reise-Ziel vor den Kleinen geheim halten sollen, denn so gibt es für uns kein Zurück mehr. Die Kinder wollen unbedingt radeln.
Ein Anfang mit Hindernissen
Der erste Reisetag beginnt noch mit verhaltenem Sonnenschein am sonst wolkenverhangenen Himmel. Während der kurzen Zugfahrt zu unserem eigentlichen Startpunkt der Tour bleiben wir noch trocken. Doch schon nach wenigen gefahrenen Kilometern entlang des Rheins öffnet der Himmel seine Schleusen und beglückt uns mit einem kurzen, aber heftigen, Schauer. So schön die Strecke von Mainz aus in den Süden auch ist, bei diesem Wetter bleibt unsere Freude verhalten. Am Abend stehen wir vor einem Campingplatz, der offiziell keiner ist. „Leider ein Privatplatz nur für Mitglieder“, wird uns mitleidig aussehenden Radlern mitgeteilt. Weil es schon zu spät für eine Weiterfahrt zum nächsten Campingplatz ist, lässt uns der freundliche Wirt einer Gaststube am Rheinufer hinter seiner Gaststätte übernachten. Wir nehmen sichtlich erleichtert dankend an.
Wie die Kinder bei Laune halten – und Glück im Unglück
Wir radeln weiter auf dem Rheinradweg gen Süden, verfolgt von dicken schweren Regenwolken, denen wir zu entfliehen versuchen, was uns selbstverständlich nicht gelingt. Nach dem dritten verregneten Radeltag haben wir Erwachsene schon ziemlich die Faxen dicke und würden am liebsten wieder umkehren. Noch sind die Kinder nicht bereit dazu, auch wenn sie nicht mehr ganz sooo begeistert sind bei diesen Wetterbedingungen zu radeln. Eine allgemein schlechte Stimmung breitet sich langsam aus, die sich bei den lieben Kleinen nur mit täglich gekauften Bergen von Süßigkeiten und literweiße Softgetränken besänftigen lässt.
Am Abend des dritten Radeltages haben wir wieder einmal Glück im Unglück. Schon zum zweiten Mal auf dieser Tour (das ist uns in dieser Häufigkeit eigentlich noch nie passiert) gibt es einen Campingplatz nicht – oder nicht mehr, der eigentlich im Internet noch beschrieben war. Ein zweiter in der Nähe liegender Platz an einem kleinen See ist leider wieder nur für Dauercamper. Völlig ausgepowert und erschöpft stehen wir vor dem Eingang der Gartenlaubenanlage und überlegen was wir tun können. Bis zur nächsten Stadt sind es noch ein paar Kilometer zu radeln und es beginnt schon wieder zu nieseln. Wir entscheiden uns am Seeufer zu übernachten und das nette Schild „no camping“ zu ignorieren. In diesem Moment kommt ein Dauercamper auf uns zu und lädt uns herzlich ein auf seinem Grundstück zu übernachten. Er besitzt ein komfortables Gartenhaus mit Toilette und Dusche, die wir gerne benutzen dürfen. Dankend nehmen wir an und erleben einen wirklich schönen Abend mit Freibier, viiiiel Limonade und netten Gesprächen.
Frankreich, wir kommen geradelt!
Am vierten Radeltag wechseln wir auf die französische Seite des Rheins, der hier nun Rhin heißt. Munter wechseln wir in den nächsten Tagen die Staatsgebiete von Deutschland nach Frankreich und von Frankreich nach Deutschland. Wie zu erwarten macht der Regen leider auch vor Staatsgrenzen nicht Halt und verfolgt uns hartnäckig weiter.
Der Rheinradweg auf der französischen Seite des Rheinufers gefällt uns besonders gut mit seinen noch ursprünglichen Auenwäldern und einsamen Straßen – oder liegt das wohl am Regen, dass wir fast alleine unterwegs sind? Tatsächlich lässt dieser in Frankreich ein wenig nach, dafür wird es aber noch ein bisschen kälter als in den letzten Tagen.
Abends stellen wir daher Teelichter im Zelt auf (selbstverständlich „under control“) um uns zu wärmen und gehen sehr früh schlafen. Unsere Schlafsäcke sind mittlerweile das einzige, was bisher noch annähernd trocken geblieben ist von unserer Ausrüstung. Kennt ihr den modrigen Geruch von feuchter Radelkleidung? Nein? Ich führe das mal nicht weiter aus, um euch nicht die Lust am Fahrradfahren zu verderben.
Die Reisebedingungen werden hart, härter, am härtesten
Am Morgen des fünften Tages zeigt das Thermometer auf unserem Campingplatz ganze 5 Grad Celsius an. Aaaber – es regnet nicht. Das ist doch mal eine gute Nachricht! Mit allem was an Anziehbarem zu finden ist ziehen wir los. Unsere Kinder fahren schon seit vier Tagen ununterbrochen in ihrer Regenkleidung und mit Handschuhen, was beides mittlerweile nicht mehr trocken wird. Wir Erwachsenen fürchten, dass unsere Kinder sich erkälten könnten. Aus diesem Grund beschließen wir Eltern, die Reise an der nächsten Bahnstation in Deutschland zu beenden und nach Hause zu fahren. Der Freizeitpark kann schließlich auch mit dem Auto erreicht werden. Als wir den Kindern unsere Entscheidung mitteilen, sind diese außer sich vor Wut und Empörung. „Das könnt ihr doch nicht machen, so kurz vor dem Ziel. Nein! Wir wollen unbedingt weiterfahren. Bitte, bitte, bitte!“
Da stehen zwei erbärmlich frierende Kinder in tropfnassen Regenanzügen vor einem und bitten darum, das Leiden zu verlängern. Was sagt man dazu?! Selbst das mehrmals eindringlich ausgesprochene Versprechen, sich zuhause sofort ins Auto zu setzen und nach Rust zu fahren, kann unsere Kinder nicht umstimmen. Sie wollen es selbst schaffen, unter allen Umständen. Auch, wenn ich ihre Reaktion nicht verstehen kann – irgendwie erfüllt mich das Durchhaltevermögen meiner Kinder ein wenig mit Stolz.
Wenn Engel reisen, lässt Petrus die Sonne scheinen
Als wolle Petrus unsere Kinder in ihrer Hartnäckigkeit bestätigen, regnet es am folgenden Tag nicht. Bei leidlich gutem Wetter mit ein wenig Sonnenschein erleben wir die schöne Grenzstadt Strasbourg. Doch schon am nächsten Tag auf der Fahrt nach Rust ist der Schön-Wetter-Spuk wieder vorbei. Zunächst nur stark bewölkt und bitterkalt, entwickelt sich das Wetter zu einer kleinen Katastrophe. Auf den letzten Kilometern nach Rust schüttet es wie aus Eimern und wir finden keine Möglichkeit uns unterzustellen. Noch nie wurden wir auf einer Radtour so unglaublich nass. Tropfend überfallen wir in der kleinen Ortschaft das nächstbeste Café und setzen es dabei halb unter Wasser bei dem kläglichen Versuch uns zu entkleiden und (fast) trockene Wechselwäsche anzuziehen. Die netten Bedienungen erkennen unsere Notlage und nehmen es daher gelassen, auch wenn sie nach unserem Besuch den Boden wischen müssen. Vielen Dank nochmals dafür!
Das große Wunder dieser Radtour geschieht allerdings am nächsten Tag, an dem wir den Freizeitpark besuchen. Die Sonne strahlt den ganzen Tag vom wolkenlosen Himmel. Es sollte der einzige gänzlich regenfreie Tag dieser Radtour bleiben, die wir zwei Tage später abbrechen.
Im Nachhinein muss man sich wohl doch fragen: „Ist Petrus kinderlieb und hatte seine Finger im Spiel? Wie dem auch sei: Den Freizeitpark und das wunderbare Wetter dazu hatten sich unsere beiden Kinder unter diesen widrigen Umständen der Anreise redlich verdient.“
Habt auch ihr einmal so eine richtig bescheidene Radtour erlebt? Ich freue mich über eure Kommentare!
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