Unverhofft kommt oft! So oder so ähnlich begann unsere Kurzreise in das Grenzgebirge Böhmerwald im letzten Winter. Denn wer kommt schon auf die verrückte Idee gerade im Winter ein paar kurzfristig frei gewordene Tage als Wander-Kurzurlaub zu verbringen? Und warum gerade im Grenzgebiet zu Tschechien? Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Zum einen wandern wir sehr gerne, und zum anderen haben wir den östlichen Nachbarstaat Tschechien auf unserer großen Sommerwanderung auf dem EB (Internationaler Bergwanderweg der Freundschaft von Eisenach nach Budapest) lieben gelernt. Das Nachbarland Tschechien bietet zahlreiche schöne und noch nicht überlaufene Wandergebiete, die entdeckt werden wollen. Abseits der bekannten Wanderhochburgen, wie beispielsweise den Alpen, kann man in Tschechien noch viele Gebirge erkunden, die noch nicht vom Massentourismus überrollt werden. Klar, die tschechischen Berge sind keine Alpen, aber es gibt zahlreiche schöne Mittelgebirge, die alle ihren eigenen Charme besitzen, und dabei selten bis nie überlaufen sind. Wir haben uns für diese erste Stippvisite in Tschechiens Süden das Naturschutzgebiet Šumava auserkoren, welches zusammen mit dem deutschen Nationalpark Bayerischer Wald die größte zusammenhängende geschützte Waldfläche Mitteleuropas bildet.
Der Nationalpark Bayerischer Wald und Šumava Nationalpark im grenzüberschreitenden Gebirge Böhmerwald
Der 1970 gegründete Nationalpark Bayerischer Wald ist mit seiner Gesamtfläche von ca. 25.000 ha deutlich kleiner als der tschechische Nationalpark Šumava, der eine Fläche von knapp über 68.000 ha aufweist. Da beide Nationalparks jedoch nur von der tschechisch/deutschen Grenze getrennt werden, bilden sie als Schutzgebiet eine Einheit und sind somit die größte zusammenhängende geschützte Waldfläche in Mitteleuropa. Geologisch gesehen liegen die beiden Nationalparks in ein und demselben Gebirge, und zwar dem Böhmerwald. Dessen Bergkette erstreckt sich ca. 120 km entlang der deutsch-tschechisch-österreichischen Grenze. Der höchste Berg des Böhmerwaldes ist der 1456 Meter hohe Große Arber auf deutscher Seite, welcher aber nicht im Nationalpark Bayerischer Wald liegt. Die Winter im Böhmerwald können auch heute noch sehr kalt und schneereich sein. Das liegt daran, dass der Böhmerwald am Übergang vom atlantischen zum kontinentalen Klima liegt. Auch wir waren erstaunt über die teilweise schneereichen Landschaften in den Höhenlagen über 1.000 Meter, wogegen es im übrigen Deutschland mit Schnee noch sehr mau aussah.
Unsere Wanderungen im Nationalpark Bayerischer Wald und tschechischen Nationalpark Šumava
Heidensteinrunde von Strážný aus 22,4 km (Rundwanderung)
Vom grenznahen Ort Strážný aus unternehmen wir unsere erste Wanderung auf tschechischer Seite des Böhmerwaldes im Šumava Nationalpark. Die kleine Grenzgemeinde bietet mehrere Unterkünfte und ist für uns ein idealer Ausgangort für Wanderungen im Šumava Nationalpark sowie Nationalpark Bayerischer Wald.
Im Tal liegt nur mäßig Schnee, aber es kündigt sich für die kommenden Tage Nachschub an. Auch wenn das Wetter nicht gänzlich als schlecht zu bezeichnen ist, so werden wir die Sonne in der kurzen Zeit unseres Aufenthalts nicht zu Gesicht bekommen. Es ist halt Winter, was will man da meckern!
Den ersten Berg, der 937 m hohe Obecni vrch, umlaufen wir in einem großen Bogen. Der Weg steigt gemächlich an, bis wir am 820 m hohen Mitterscheibling die deutsche Grenze erreichen. Danach steigt der Weg etwas steiler bis nach Mitterfirmiansreut an. Wir queren eine Skipiste am Ort, die jedoch noch nicht in Betrieb ist. Von hier genießt man einen schönen Blick nach Tschechien hinein inklusive des Nationalparks Šumava (wie gesagt, wenn das Wetter passt.) Wir streifen den deutschen Ort nur und wandern weiter Richtung Tschechien.
Im weiteren Verlauf der Wanderung kommen wir an Zeugen menschlicher Siedlungen vorbei. Von Ende des 18.Jahrhunderts bis Ende des zweiten Weltkriegs gab es hier noch zwei Siedlungen mit knapp einhundert Häusern und etwa sechshundert Einwohnern. Die Ortschaften Unter-Lichtbuchet und Ober-Lichtbuchet existierten bis 1946. Mit der Vertreibung der zumeist deutschen Bewohner wurde das Grenzgebiet verlassen. Heute findet man noch die Überreste mehrere Häuser und einer Schule, die erst im Jahr 1910 modernisiert und renoviert wurde.
An der Ruine der alten Schule steigt der Wanderweg zum 1056 Meter hohen Berg Homole an. Dort stehen bis heute aufrecht gestellte Granitblöcke, die sogenannten Heidensteine, welche wahrscheinlich aus vorkeltischer Zeit stammen. Die Steinblöcke sind exakt so ausgerichtet, dass zur Winter- und zur Sommersonnenwende der Sonnenaufgang wie Untergang durch die Spalte der Steinblöcke bestimmt werden konnte. An diesem magischen Ort wurden vermutlich keltische Rituale abgehalten. Von den Heidensteinen führt der Wanderweg auf acht Kilometern tendenziell nur noch bergab.
Good to know → Wildcampingplätze im Šumava Nationalpark
Auf dem Rückweg entdecken wir noch etwas, was für Streckenwanderer sehr interessant sein könnte. Die Parkverwaltung des Nationalparks Šumava unterhält von Süden nach Norden entlang der deutschen Grenze sieben Übernachtungsplätze für Wanderer im Nationalpark, so dass man den Nationalpark Šumava in seiner kompletten Länge bewandern, und auf diesen Plätzen kostenfrei übernachten kann. Die ganzjährig nutzbaren Plätze sind eingegrenzt und mit Bänken und Toilettenhäuschen ausgestattet. Nähere Informationen über die Zeltplätze erhält man auf der Seite der → Nationalparkverwaltung.
Auf den Finsterauer Lusensteig (1373 m) 13 km (Rundwanderung)
Die zweite Wanderung führt uns auf den fünfthöchsten Berg im Bayerischen Wald, den 1373 m hohen Lusen. Wir beginnen unsere Rundwanderung am Oberen Reschbachtal in der Nähe der Ortschaft Finsterau. Über Nacht hat sich eine dünne Schneedecke in den Tälern gebildet, die mit den Höhenmetern, die wir zurücklegen immer dicker wird. Der Wanderweg über das Obere Reschbachtal steigt zwar nur gemächlich auf den 1196 Meter hohen Hohlstein an, dennoch erschwert der Schnee ein zügiges Vorankommen. Je höher wir steigen, desto dicker wird die Schneedecke, bis wir unterhalb des Gipfels in einem halben Meter Neuschnee stecken. Im Schutze des Lusenschutzhauses (welches leider geschlossen ist) legen wir in einem offenen Shelter eine Pause ein, die angesichts der Kälte nur wenige Minuten dauert. Zum Gipfel des Lusen sind es nur noch ein paar Meter, die jedoch aufgrund des starken und eisigen Windes eine echte Herausforderung sind. Oben angekommen haben wir ca. null Sicht in alle Richtungen und sind heilfroh, dass unsere digitale Navigation angesichts der Kälte nicht schlapp macht. Hätten wir uns auf die Wegweiser verlassen müssen, wären wir angesichts des schlechten Wetters wahrscheinlich erfroren.
Nichtsdestotrotz war es auch ohne Aussicht eine sehr schöne Wanderung und auf dem Rückweg im windgeschützten Wald fing es wieder leicht an zu schneien. Einfach magisch, eine Wanderung im Winter und ein wahres winter-wonder-land im Nationalpark Bayerischer Wald.
Almbergrunde von Mitterfirmiansreut 6 km (kleine Rundwanderung)
An unserem letzten Reisetag unternehmen wir noch eine kleine Wanderung und umrunden den Hausberg der deutschen Grenzgemeinde Mitterfirmiansreut, den 1139 Meter hohen Almberg. Mit den Schneefällen der letzten Nacht erleben wir auch hier wieder eine wunderschöne Winterlandschaft, wie wir sie in unserer Heimat schon lange nicht mehr erleben durften. Vielleicht sollten wir des Öfteren solch verrückte Ideen haben, einen Winter-Kurzurlaub im nahegelegenen Böhmerwald zu unternehmen. Fortsetzung folgt….., ziemlich sicher!
Kennst du noch weitere lohnenswerte Wintertouren im Bayerischen Wald und Šumava Nationalpark? Dann freuen wir uns, wenn du diese mit uns teilst.
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weitere schöne Wanderungen findest du auf unserer interaktiven Karte →