Bisher haben wir jedes Jahr eine Reise unternommen. Dabei sind wir gerne zu Fuß oder am liebsten noch mit dem Fahrrad unterwegs. Es sind die langsamen und naturnahen Reiseformen, die wir schätzen. Dabei sind die Erlebnisse und Erfahrungen am intensivsten und nachhaltigsten, auch wenn die Anforderungen mit Kindern steigen und nicht immer alles positiv erlebt wird, bleiben wir unserer gewählten Reiseform treu. Wir lernen jedes Jahr Neues dazu, so wie Kinder ihre Fähigkeiten mit dem Heranwachsen erweitern.
Ein verlorenes Jahr?
Nun schreiben wir das Jahr 2004. Der Sommer steht hell und strahlend vor der Tür und mein Bauch wächst stetig nach vorne. Ende Mai kann ich schon gar nicht mehr meine Schuhe alleine zubinden, geschweige denn eine längere Strecke zu Fuß zurücklegen. Anfang Juni wird es plötzlich erstaunlich warm und ich komme noch kurze Zeit in den Genuss von erhöhten Wasserständen in meinen Waden, was weder ansehnlich noch sonderlich angenehm ist. Mit Wehmut blättere ich in Reiseführern und Internetseiten und warte auf den Showdown. Dieses Jahr werden wir keinen Urlaub nach unserem Sinne machen können. Ein – für mich – verlorenes Jahr. Als meine kleine Tochter endlich das Licht der Welt erblickt, sehe ich dieses Jahr plötzlich mit ganz anderen Augen. Sie ist kerngesund und wahnsinnig süß. Mir wird die Wichtigkeit dieser Tatsache bewusst und ich stelle alle anderen Wünsche gerne zurück.
Reiseziel für Baby und Kleinkind gesucht!
Trotzdem wollen wir in diesem Jahr noch verreisen. Angestrengt grübeln wir über Reiseform, Ziel und Dauer. Im letzten Jahr haben wir uns einen VW-Bus gekauft und diesen mit einem selbstgebastelten Schrank und einer Schlafmöglichkeit versehen. Das Auto soll in diesem Jahr unser Quartier werden und das grobe Reiseziel steht einen Tag vor der Abreise auch schon fest. Wir fahren in den Süden.
Es ist Ende August und in Deutschland gerade ungewöhnlich kalt. Am ersten Reisetag fahren wir in die Berge und übernachten bei Verwandten. Unsere Kinder Clara (2 Monate) und Paul (2 ½ Jahre) ertragen die lange Fahrt mit stoischer Gelassenheit. Das Fahrradfahren ist viel angenehmer, wird mir auf der verstopften Autobahn bewusst.
Am zweiten Tag kommen wir in Südtirol an. Eigentlich hatten wir geplant uns hier einen schönen Campingplatz zu suchen und ein paar Tage wandern zu gehen. Als wir jedoch am Abend in der Nähe von Bruneck unser Nachtlager aufstellen, hängen prall gefüllte Regenwolken tief im Tal. Es dauert auch nicht lange und es schüttet wie aus Eimern. In der Nacht wird es sehr kalt, und ich mache die Erfahrung, dass es in einem Auto viel kälter ist als im Zelt (Unser Auto ist weder isoliert, noch haben wir eine Standheizung in unserem Bus.). Mein Mann verbrachte die Nacht mit unserem Sohn im Zelt und ich mit meiner kleinen Tochter auf der Pritsche im VW-Bus. Am Morgen ist mein kleiner Spatz trotz warmen Schlafanzug, dicker Fleeceweste, zwei Paar Wollsocken übereinander, Mütze, Baby-Schlafsack, Lammfell und zusätzlich noch einer Wolldecke über dem Schlafsack an den Händen und im Gesicht eiskalt. Eine Tatsache, die mir gar nicht gefällt. Es regnet zwar nicht mehr, aber von den schönen Dolomiten ist nichts zu sehen. Der Wetterbericht verspricht auch in den kommenden Tagen keine Besserung und so beschließen wir kurzerhand weiter in den Süden zu fahren.
Camping in Punta Sabioni bei Venedig
Den ganzen Tag benötigen wir durch die Dolomiten und kommen gegen Nachmittag in Punta Sabioni bei Venedig an. Dort gibt es zahlreiche Campingplätze, die jedoch eher den Charme großer Hotelanlagen besitzen. Es handelt sich um riesige Anlagen mit Bungalows, zahlreichen Geschäften, Restaurants und Swimmingpools. Das Gros der Gäste sind Dauercamper und Wohnmobiltouristen. Wir sind trotz unseres Busses eine Ausnahmeerscheinung auf diesem Platz und werden mitfühlend belächelt. Die überwiegend deutschen Gäste haben als Mindestausstattung neben ihrem noblen Wohnwagen oder überdimensionierten Hauszelt einen Campingtisch und Stühle dabei. Wir jedoch sitzen auf dem Boden und kochen das Essen auf unserem altbewährten Benzinkocher. Mancher hier hat noch nie in seinem Leben einen Benzinkocher gesehen. Irgendwie sind wir hier ein wenig fehl am Platz, fühlen uns aber dennoch sehr wohl. Wir beschließen, den Urlaub hier zu verbringen. Es gibt nämlich viele kleine Annehmlichkeiten: Das Wetter ist super, der Campingplatz liegt direkt am Meer, zum Einkaufen müssen wir den Platz noch nicht einmal verlassen, es gibt einen Kinderspielplatz und mehrere Pools und am Abend ist es trotz Animation in unserer etwas abseits gelegenen Ecke himmlisch ruhig. Was will man mehr!
Eine Woche genießen wir das schöne Wetter in Italiens Norden, unternehmen einen Ausflug nach Venedig und verbringen eine sehr erholsame Zeit mit unseren Kindern. Unsere kleine Tochter ist natürlich der Star auf dem Platz und wahrscheinlich der jüngste Gast, der hier jemals genächtigt hat. Täglich kommen mehrere Schaulustige zu uns, um diese Familie zu sehen, die aus dem hier für Touristen typischen Rahmen fällt (Im Grunde hätten wir fürs Gaffen Eintritt verlangen müssen!). Am hysterischsten jedoch sind die netten Putzfrauen, die hier den ganzen Tag ihrer Arbeit nachgehen. Schon am ersten Tag haben sie unseren Frischling entdeckt und es hat sich unter den Frauen in Windeseile herumgesprochen, dass eine klitzekleine „bambina“ hier ist. Ständig bin ich seither von Putzfrauen umringt und alle quieken vergnügt, wenn sie Clara berühren und auf den Arm nehmen dürfen. Sie brabbeln pausenlos in einem unverständlichen italienisch auf mein armes Baby ein und ich hoffe, dass meine Tochter davon keine Italienphobie bekommt.
Nach einer Woche Punta Sabioni und Venedig ist dieser Kurzurlaub auch schon wieder vorbei. Er war eine ganz neue Erfahrung für uns, viel weniger Abenteuer, dafür mehr Ruhe und Erholung. Mit einem zwei Monate alten Baby konnte und wollte ich mir noch keinen Fahrradurlaub vorstellen. Im nächsten Jahr allerdings ist wieder eine Radreise geplant. Dann wird unsere Tochter alt genug für ihr erstes Abenteuer sein. Mit unserer diesjährigen Entscheidung versöhnt, überlege ich, ob dieses Jahr vielleicht doch kein verlorenes – sondern ein sehr schönes – Jahr war. Unsere Familie hat sich vergrößert und die Kleine ist eine Bereicherung für unser Leben.
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Habt ihr eine Reise mit einem ganz kleinen Baby hinter euch ? Schreibt mir eure Erfahrungen !
Super! Das klingt nach einer ganz besonderen Erfahrung!!! Wir haben mit (Klein-)Kindern in Italien per fortuna nur gute Erfahrungen gemacht und wurden eigentlich immer und überall mit offenen Armen empfangen – vielleicht nicht ganz so überschwänglich wie von den Putzfrauen auf dem Campingplatz, aber fast ;). Sogar der Stätetrip nach Rom im letzten Jahr mit zwei mittlerweile halbstarken Jungs (6 und 9) klappte wunderbar. Von der Gladiatorenschule auf der Via Appia träumen die beiden heute noch 🙂
Ist mittlerweile denn absehbar, ob Clara Folgeschaden von dieser Reise davongetragen hat?!
Tanti saluti – Julia
Hallo Julia,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, bezüglich Kinder sind die Italiener absolute klasse. Wir haben uns bisher immer wohl gefühlt. Und zu deiner Frage, ob meine Tochter Folgeschäden bezüglich unserer Italienreise davongetragen hat, kann ich nur beruhigen: Sie ist sogar sehr aufgeschlossen anderen Kulturen gegenüber und liebt (italienische) Gepflogenheiten wie Umarmungen. 😉
Super, dann habt ihr also alles richtig gemacht! 🙂 Saluti, Julia
Ja, scheint so. 🙂 LG, Christine
Das klingt spannend 🙂
In welchem Monat ward ihr denn in Italien?
Wir werden im Januar Eltern und planen nächstes Jahr im Juli/August ein bisschen durch Italien zu reisen mit Zelt und Auto. Allerdings hab ich Sorgen, dass die Temperaturen im Zelt für das Baby zu heiß sind. Was meinst du, was sagt dir deine Erfahrung?
Liebe Grüße
Christiane
Hallo Christiane,
vielen Dank für deinen Kommentar. Wir waren Anfang September in Italien. Eigentlich ist es um diese Zeit noch sehr warm dort, weshalb wir keine Rundreise gemacht haben (unser Auto hatte noch keine Klimaanlage). Wir haben uns einfach einen schönen Campingplatz am Meer gesucht und sind dort eine Woche geblieben. Tagsüber unter schattigen Bäumen und erst am späten Nachmittag am Meer war für unsere Kleine (damals zweieinhalb Monate alt) kein Problem. In dieser einen Woche haben wir nur einen einzigen Ausflug ins nahegelegene Venedig unternommen. Dies war natürlich ein wenig stressig, aber die restliche Zeit haben wir sehr genossen. Das Zelten klappte auch sehr gut. Wir fanden es sogar angenehmer als in einer Ferienwohnung oder Ferienhütte, da es nachts immer angenehm kühl wurde und wir im Zelt nur dünne Decken nutzen. Alles in allem war es ein sehr entspannter und schöner Urlaub. Italien ist immer eine Reise wert, und vor allem kleine Kinder sind dort herzlich willkommen.