Mit zwei Kleinkindern auf Fahrradtour in Norwegen – die Setesdalroute

Das Hinterland bei Kristiansand

 

Kann eine Reise in Norwegen, die mit strahlendem Sonnenschein und angenehmen, warmen Temperaturen beginnt, eigentlich noch besser werden? Geradezu misstrauisch beäuge ich die aktuelle Wetterlage, seit wir vor einigen Tagen Das Meer bei Kristiansandam südlichen Zipfel des Nordlandes angekommen sind. Unsere Erwartungen an Skandinavien wurden bisher nicht erfüllt, was für uns als Radreisende zwar ein höchst erfreulicher Zustand darstellt, mich aber ziemlich verwirrt und argwöhnisch zurücklässt. Hatte ich mich doch auf kühle Temperaturen und eine gelegentliche Dusche der Natur eingestellt. So  absurd und undankbar meine Gedankengänge für einen Außenstehenden sein mögen, so widersprüchlich empfinde ich das hiesige Wetter, das so gar nicht mit dem konform geht, was man über das Land im hohen Norden bisher in Erfahrung gebracht hat.

Die liebliche Stadt Kristiansand in Südnorwegen

Unser Mercedes ohne SternKristiansand ist die fünfgrößte Stadt Norwegens und Hauptstadt der Provinz Sørlandet, der südlichsten Region des Landes. Das Wetter wird als mild und – für skandinavische Verhältnisse – regenarm beschrieben mit den höchsten Durchschnittstemperaturen Norwegens, die sich im Mai bei gerade einmal 14° Celsius bewegen. Heute – am 31. Mai – sind wir seit drei Tage hier und das Quecksilber kratzt zum wiederholten Male annähernd an der dreißig Grad Marke – wenn das nicht mal zu Verwirrungen bei einem gewöhnlich intelligenten Touristen führt!

Wegweiser durchs SetesdalMorgen starten wir zu unserer ersten Fahrradtour in Norwegen. Wir haben für das erste Abenteuer unserer Reise eine Route gewählt, die keine allzu großen Anforderungen an einen durchschnittlich trainierten Radler stellt. In Anbetracht dessen, dass wir zwei Kinder im Alter von knapp zwei und vier Jahren und ein Gespann von nahezu hundert Kilogramm ziehen müssen, sind wir auf Strecken mit längeren Steigungen nicht gerade scharf. Zwar ist auch die Radroute durch das Setesdal nicht gänzlich steigungsfrei, aber auf weite Strecken für norwegische Verhältnisse als eher flach zu bezeichnen.

Die Setesdalroute

Auf der Setesdalroute

Der nationale Radwanderweg mit der Nummer 3 – der Setesdalroute – beginnt im Zentrum von Kristiansand und führt über die Ortschaften Vennesla, Kile und Evje ins Setesdal, das praktisch erst 60 Kilometer hinter Kristiandsand beginnt, bis auf die Hochebene nach Haukeligrend. Der erste Abschnitt verläuft entlang der Hauptstraße Nr. 9 Richtung Norden. Ab Vennesla führt die Setesdalroute über sehr gut befahrbare Schotterwege auf dem stillgelegten Bahndamm der  «Setesdalbanen». Mit einigen Aus- und Einstiegen – wenn die Straße den schönen Schienenweg verlässt – führt der Radweg  weiter auf alten Straßen bis nach Syrtveit. Erst kurz vor dem Hochland steigt der Weg deutlich an und endet nach knapp über 250 Kilometern wieder im Tal bei der Ortschaft Haukeli, dem ehemaligen Haukeligrend.

(Infoseite dazu im Internet:  www.cyclingnorway.no/en/setesdalroute/2/)

Schöne Wege entlang einer alten Eisenbahntrasse

Viele Tunnel begleiten unseren Weg

So ist das Wetter am ersten Tag unserer Radreise wider erwarten wunderschön. Die widersprüchlichen Gefühle bezüglich des Klimas und der weiteren Reise – was uns denn nach diesem Traumstart wohl erwarten wird – kann ich bestens verdrängen. Was soll man denn auch mäkeln an einem Umstand, der für alle Beteiligten nicht besser sein könnte. Die Kinder sind sehr aufgeregt und finden unsere Tour extrem spannend, und ich merke, wie gut diese Tatsache uns Erwachsenen tut. Es gibt eben nichts Schöneres als glückliche und ausgeglichene Kinder. Am dritten Radeltag feiern wir im tiefen Tal entlang des Flusses Otra den zweiten Geburtstag unserer Jüngsten. Der Campingplatz, eingebettet in einer herrlich grünen Landschaft, bietet den Kindern ein wunderschönes Gelände zum Toben und Spielen. Es werden ein paar kleine Geburtstagsgeschenke ausgepackt – natürlich nicht vom Geburtstagskind selbst, sondern vom ungeduldigen Bruder. Er ist so aufgeregt, als würde es sich um seinen eigenen Freudentag handeln, und nicht um den seiner Schwester. Aber damit haben wir ja schon gerechnet und lassen ihn daher gewähren.

Auf der alten Eisenbahntrasse

Die Jubilarin dagegen sitzt etwas verstört daneben und beäugt ihre Geschenke etwas misstrauisch. Mit einem Steckspiel für die feinmotorische Entwicklung kann sie noch nicht so wahnsinnig viel anfangen. Der Große zeigt ihr daher fachmännisch, wie sie die unförmigen und etwas schwer zu greifenden Kügelchen in die dazugehörige Platte drücken muss. Kaum überzeugt wendet sie sich ihrem neuen Kuscheltier, einem schneeweißen Zottelbären, zu. Was habe ich mir nur dabei gedacht auf dieser Reise ein weißes Schmusetier für meine Tochter zu kaufen? Mit ihm gemeinsam verdrückt sie dann eine Tafel Schokolade, die ebenfalls ein irrsinniges Geschenk war. Ich weiß heute wirklich nicht mehr, wer nach der Fressattacke schlimmer aussah – meine Tochter oder der arme Schmusebär. Der neue Familienzuwachs wanderte danach jedenfalls heimlich in die Schmutzwäsche.

Der Fluss Otra und das Setesdal

Der Fluss Otra

Der Fluss Otra, der das Setesdal lange begleitet, bietet Wassersportlern wunderbare Bedingungen. Rafting, Kajak und Kanufahren sind hier sehr beliebte Freizeitbeschäftigungen. Auch mehrere kleine Seen und der große Byglandsfjord sind beliebte Ausflugsziele für Einheimische sowie Touristen. Da die Urlaubssaison jedoch noch lange nicht begonnen hat, haben wie diese traumhafte Region fast für uns alleine. Eine atemberaubende Landschaft bietet sich uns im Setedal, sodass wir es auf dem Weg nach Norden nicht eilig haben. Jeden Tag unternehmen wir kleine Ausflüge an den wilden Fluss oder wandern in den traumhaften Waldtälern des Sedes. Die Kinder erfinden täglich neue Spiele in der Natur und erkunden die Landschaft um sie herum mit ausgelassener Begeisterung. Die Hauptstraße nach HaukeliImmer tiefer hinein führt uns der Weg ins Setesdal. Die Berge werden felsiger, gewaltiger und scheinen das Tal in die Zange nehmen zu wollen, um es just an der nächsten engen Biegung wieder freizugeben. Mit dieser Begeisterung für die Landschaft des Setesdals kommen wir pro Tag kaum mehr als dreißig Kilometer weit. Mehrmals müssen wir uns daher einen Schlafplatz in freier Natur suchen, was auch in Norwegen entlang der Straße nicht immer leicht ist. Glücklicherweise sind der nächste glasklare Fluss oder See nicht weit und somit Trinkwasser und eine Katzenwäsche für Hartgesottene kein Problem für radelnde Touristen.

Suche nach einem Schlafplatz

Nach fünf Tagen haben wir unseren Reiserhythmus gefunden und die täglichen Handgriffe gehen wieder in Fleisch und Blut über. Zu Beginn einer Radtour stellt die Organisation des fahrenden Hausstandes immer eine ganz besondere Herausforderung für uns als Ehepaar dar, da wir zuhause eine mehr oder weniger traditionelle Rollenteilung leben. (Wo gibt es das schon noch!) Die Hausfrau und Mutter in mir tut sich anfangs sehr schwer Zuständigkeiten abzugeben, kann es aber andererseits nicht lassen äußerst penibel zu delegieren und korrigieren, damit auch alles nach meinen Vorstellungen verläuft.  Glücklicherweise wurde mir ein Mann geschenkt, der meine femininen Allüren mit einer stoischen Gleichgültigkeit kommentiert. Er besitzt die wunderbare Gabe abwarten zu können, bis Frau selbst erkennt wie schwachsinnig weiblicher Perfektionismus auf Reisen ist. Es dauert Gott sei Dank auch selten lange, bis ich das erkannt habe und Norwegens Landschaftenentspannt bleibe, wenn unser Kind einmal länger als zehn Minuten auf sein Mittagessen warten muss und sich darüber lautstark beschwert. Streitpunkte kann es auf Reisen aber dennoch geben. Zwar nicht wegen der berühmten offenen Zahnpastatube, sondern über das ausgelaufene Haarshampoo in der nun angenehm duftenden aber klebenden Kulturtasche. Wer zum Teufel hat das Shampoo nicht richtig verschlossen?

Beim nächsten Zähneputzen fragt mich mein Sohn mit glänzendem Schaum vor dem Mund warum die Zahnpasta so eklig schmeckt. Mamma mia – und diese Reise hat eben erst begonnen! Fortsetzung folgt……

Wandern mit meiner Schwester

(Ein großer Teil der Bilder dieser Seite sind eingescannte Fotos – die Qualität bitte ich zu entschuldigen!)

Wer weitere, konkrete Fragen zum Reiseziel hat, der kann sich selbstverständlich bei uns melden. Wir beantworten gerne eure Fragen.

Einen weiteren Reisebericht über Norwegen findet ihr in meinem Reisehandbuch „Mit Kindern die Welt entdecken“ →

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auf unserer interaktiven Radtourenseite findest du viele weitere Radreiseberichte →

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