Ein Reisebericht von Volker Otter
Der Habichtswaldsteig – ein tolles Weihnachtsgeschenk!
Was schenkt man seinen Eltern zu Weihnachten? Unsere Jungs – einer ist schon ausgezogen – haben sich die Haare gerauft, überlegt und schließlich die Idee gefunden. Das, was die Eltern früher immer mit ihnen gemacht haben, machen sie jetzt mit ihren Eltern, den Spieß einfach mal umgedreht. Sie schenken uns Zeit für ein Abenteuer. Das Vorhaben: Wir wandern in drei Tagen gemeinsam den Habichtswaldsteig, direkt vor unserer Haustür.
Wo liegt der Premiumwanderweg Habichtswaldsteig?
Der 85 km lange Habichtswaldsteig liegt im nördlichen Hessen bei Kassel und erstreckt sich von Zierenberg bis zum Edersee (Waldeck / Hemfurth, führt über ein meist sanftes Mittelgebirgs-Relief (ab der 2. Etappe täglich ca. 350 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter). Er verbindet verschiedene naturräumliche Regionen. Ob Basaltformationen, Wacholderheiden, alte Hutebäume oder lauschige Wälder, Burgruinen oder kleine Fachwerkorte, stets gibt es Neues zu entdecken, auch wenn man meint, die Region vor der Haustür zu kennen. Und natürlich kennen wir die eine oder andere Strecke schon von Radtouren oder früheren Rund-Wanderungen (Habichtswaldsteig-Extratouren) her, haben unseren Hinterhof aber noch nie so zusammenhängend erlebt. Denn es ist ein Unterschied, ob man über mehrere Tage hinweg unterwegs ist oder weiß, dass man abends wieder zu Hause ist. Unser absolutes Haus- und Hofgebiet freilich lassen wir aus, die erste Etappe von Zierenberg über den Dörnberg und den Herkules (700 Höhenmeter hinauf und 560 m hinunter), hier waren wir schon zu oft. Gleichwohl ist diese Etappe landschaftlich herausragend.
Unsere erste Etappe auf dem Habichtswaldsteig (24 km)
Wir haben ca. 65 Kilometer vor uns und steigen kurz vor Ende der 1. Etappe am Wanderparkplatz am Herbsthäuschen ein. Unsere erste Etappe wird uns ca. 24 Kilometer weit nach Bad Emstal führen, durch die Firnsbachschlucht, das Dörfchen Schauenburg mit seinem Burghügel und einem herrlichen Blick über die Wiesen- und Waldlandschaft, weiter zur Burg Falkenstein und zur Altenburg, beide auf benachbarten Höhenzügen liegend und beide jeweils alte Wüstungsgebiete, auf denen Jahrtausende lang gesiedelt wurde. Da verwundert es nicht, dass ein Quell-Tümpel am Wegesrand früher eine mit Eichenbohlen befestigte Wasserstelle der mittelalterlichen Siedlung war. Der Blick durch das erste Aprilgrün und über den blühenden, mit Buschwindröschen durchsetzten Lerchenspornteppich hinauf zu den Gemäuern der Burg Falkenstein durch alten Wald… Herrlich! Alles bei schönster Frühjahrssonne und satten Temperaturen, T-Shirt-Wetter. In Bad Emstal-Sand ist unsere erste Station erreicht. Nach 24 Kilometern fühlen sich unsere Füße schlichtweg plattgelaufen an, aber das ist schnell vergessen bei einem Eisbecher in der örtlichen Eisdiele.
Die zweite Etappe auf dem Habichtswaldsteig bis Naumburg (22,5 km)
Unser zweiter Tag mit insgesamt 22,5 Kilometern bringt die Weidelsburg schnell in Sichtweite. Sie ist eine der großen, noch gut erhaltenen Burganlagen im nordhessischen Raum, auf einem die Gegend überragenden Hügel gelegen. Über Wiesenwege, durch Wald, vorbei an einer märchenhaften Zwergensiedlung, immer wieder entlang der alten Dampflokomotiven-Strecke des Hessen-Couriers kommen wir in Sichtweite der mittelalterlichen Stadt Naumburg, unserem Etappen-Ziel, das wir allerdings noch lange nicht erreichen, da der Habichtswaldsteig die Stadt in einem großen Bogen umschlägt. Wir verbringen eine schöne Pause an der „Märchenschaukel“ bei einem Wartturm, den man mit einer Leiter erklimmen kann. Sogar uns „Große“ lockt die „Märchenschaukel“, uns in die Lüfte zu schwingen.
Wir steigen ins Tal der Elbe ab, ein kleines Flüsschen mit großem Namen und ein Naturidyll mit Feucht- und Streuobstwiesen, bevor wir über offene Wiesen zum Rand des Burgbergs der Weidelsburg aufsteigen. Auf der Weidelsburg machen wir Mittagspause zwischen den Gemäuern. Am Wochenende hat hier die Burgschänke geöffnet. Der Abstieg führt uns auf Pfaden durch alten Wald an hohen Basaltwänden vorbei.
Immer wieder laufen wir an uralten Hutebäumen vorbei, die früher für die Waldmast der dörflichen Rinder und Schweine mit Bucheckern und Eicheln im Wald gehegt wurden. Je länger der Weg, desto klarer, dass es vorteilhaft ist, jung und auf dem Hoch der körperlichen Leistungsfähigkeit zu sein, einen Schritt zu tun, während der Vater mindestens anderthalb Schritte für die gleiche Strecke machen muss und dass es sich zumindest nachteilhaft anfühlt, Jahrzehnte älter und zumindest im Vergleich zu unserem Ältesten gefühlte 30 cm kürzer zu sein. So habe ich zumindest gute Gründe, für eine isotonische Trinkpause im Café Hasenacker kurz vor Naumburg zu plädieren und werde erhört. Die letzten Kilometer in Naumburg fühlen sich für unsere Füße lang an…. Umso schöner, abends noch in kurzen Sachen auf der Terrasse unserer Unterkunft zu sitzen, zu entspannen und auf den Burgberg zu blicken.
Unsere dritte – und letzte – Etappe auf dem Habichtswaldsteig (19 km)
Unser letzter Tag führt uns in ca. 19 Kilometern bis nach Waldeck. Der Habichtswaldsteig endet eigentlich erst unten am Edersee an der Staumauer, für uns wird aber mit einer guten Rückverbindung (ÖPNV) nach Kassel schon in Waldeck Schluss sein.
Am letzten Tag unserer Wanderung fühlen sich die Füße komischerweise gut und eingelaufen an. Das Relief ist heute ausgeprägt. Der Habichtswaldsteig führt über Forstwege, Wald- und Wiesenpfade in Richtung Edersee. Auf einem Höhenzug im Wald folgen wir alten Grenzverläufen. Die eingravierten Herrschaftszeichen der Dreiherrensteine säumen den Weg. Waldeck liegt schon lange in Sichtweite. Noch ein paar knackige kurze Anstiege über Wiesenhänge und schon sind wir direkt unterhalb von Waldeck. Durch einen Hohlweg entlang steiler Streuobstwiesen kommen wir ins Dorf. Die Burg Waldeck prangt über dem See. In der Dorfmitte ein Holztisch umringt von alten Männern, die rauchend, Kaffee trinkend (vielleicht manchmal mit Schuss?) und in schönster nordhessischer Mundart die Welt in Ordnung bringen. Ist ja auch wichtig! Wir hingegen essen lieber noch ein Eis und trinken einen schnellen Cappuccino, bevor wir unser kleines Familienabenteuer für dieses Mal beenden und in ein Anrufsammeltaxi steigen.
Der Habichtswaldsteig ist wie geschaffen für kleine Mikroabenteuer. Kurz mal weg sein, ohne große und komplizierte Vorbereitungen, unaufgeregt, mit einer schönen Streckenführung (er ist ein Premiumwanderweg nach dem Deutschen Wanderinstitut) und sehr guten Markierung, die ein Verlaufen auch bei Kartenmuffeln eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Augen auf, während man viel Zeit hat, neue, alte Ausblicke zu genießen und sich einfach mal wieder länger zu unterhalten. Ein wunderbares Weihnachts-Geschenk!
Nähere Infos zum Habichtswaldsteig findet ihr auf der offiziellen Internetseite des Naturparks Habichtswald.
Hat dir dieser Reisebericht gefallen? Dann freuen wir uns über einen Kommentar von dir.
← zurück zu Wandern und Fernwandern
weitere schöne Wanderungen findest du auf unserer interaktiven Karte →