Nach den vielen angenehmen und positiven Seiten des Reisens mit älteren Kindern und Jugendlichen, möchten wir selbstverständlich auch die eher unangenehmen Begleiterscheinungen beim Reisen mit dem älter werdenden Nachwuchs nicht verschweigen. So mancher Vorteil hat leider häufig einen Nachteil im Gepäck und mit dem Wachstum der Kinder entwickeln diese einen ausgeprägten Charakter, der in seiner Ganzheit ebenfalls so manche negativen Eigenschaften mit sich bringt. Das ist schon ganz in Ordnung so, kann aber auf Reisen unter Umständen einfach nur nervig sein.
1. Die Programmdirektoren unterwegs sind plötzlich die Kinder
Mit zunehmendem Alter bestimmen häufig die Kinder das Programm, egal welche Pläne die Erwachsenen für den Urlaubstag geschmiedet haben. Aus einer Altstadtbesichtigung wird dann meist eine ausgedehnte Shoppingtour durch diverse Spielzeuggeschäfte, reizüberflutende Krims-Krams-Läden oder knallbunte und süß duftende Naschparadiese. Unter 50 € plus einer Stunde kommt man aus keiner dieser Kinder-Touristen-Fallen wieder heraus. Die Heranwachsenden erwarten doch tatsächlich, dass man auf ihre Bedürfnisse uneingeschränkt Rücksicht nimmt. Da heißt es nur tief durchatmen, schnell ein paar Geldscheine locker machen und den geplanten Programmverlauf weiter verfolgen – bis zum nächsten Geschäft. Das Paradoxe ist, dass im umgekehrten Fall – wenn die Eltern irgendwo länger verweilen möchten – sofort die Sirenen ertönen: „Bäh, ist das langweilig, können wir jetzt endlich weitergehen!“
2. Aufstehen am Morgen – „Mensch Mama, ich hab doch Ferien!“
Zu Kleinkindzeiten freute man sich wie König Bolle, wenn die Kinder am Morgen auch nur zehn Minuten länger schliefen. Schlummerte der Nachwuchs deutlich länger über seine gewohnte Aufwachzeit hinaus, wurde man schon sichtlich nervös und schaute verstohlen nach, ob das Kind überhaupt noch atmet. Der Schlafrhythmus kleiner Kinder ist meist regelmäßig und vorhersehbar – wie gesagt, meistens jedenfalls! Bei älteren Kindern ist das nicht mehr so. Tatsächlich sollten sie rein biologisch gesehen mit zunehmendem Alter weniger Schlaf benötigen. Erstaunlich ist es daher, dass sich ihre Aufwachphase zusehens in den Tag hinein verschiebt und einen immer längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Kluge Eltern wissen natürlich, dass der Nachwuchs in den Ferien oft die Nacht zum Tag macht. Da wird gelesen oder digital gezockt bis die Eulen gähnen. Und am Morgen? Aufstehen? Fehlanzeige! Der schlafgeraubte Jugendliche windet sich verbal wie körperlich, um sich dem unvermeidlichen Aufstehen zu entziehen. Oft helfen nur brachiale Methoden seinen Nachwuchs auf die Füße zu bekommen. Ein entspannter Start in den Tag sieht jedenfalls anders aus.
3. Streiten wird zur sportlichen Disziplin unter Geschwistern
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich die Vorteile des Reisens mit kleinen Kindern thematisiert und dabei über die wunderbare Möglichkeit fabuliert, dass Kinder bei langen Reisen ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Geschwistern aufbauen. Eine kühne Behauptung, die wir dem Praxistest unterzogen haben, und welcher ich in ihrer Kernaussage auch heute noch zu hundert Prozent zustimmen kann. Nähern sich Geschwisterkinder allerdings der Pubertät, und sind sie altersmäßig nicht weit voneinander entfernt, kommt es immer wieder zu kleinen oder auch größeren Sticheleien, Frotzeleien und Hänseleien, bis hin zu handfesten Auseinandersetzungen, die von den parteilosen Eltern nicht leicht zu beschwichtigen sind. Das ist im Urlaub – der oft harmonieschwülstig als schönste Zeit des Jahres betitelt wird – ein absoluter Stimmungskiller. So hat man sich seinen Urlaub sicherlich nicht vorgestellt. Aber seine Kinder beschwichtigen, oder gar abstellen, kann man auf Reisen einfach nicht. Als Hobbypsychologe stelle ich einfach mal die gewagte These in den Raum, dass für die jugendlichen Streitigkeiten nicht nur die außerordentlichen körperlichen Hormonumwälzungen verantwortlich sind, sondern auch ein eklatanter Kausalzusammenhang zur innigen Beziehung zweier Geschwister festzustellen ist. Oder etwas einfacher formuliert: Was sich liebt, das neckt sich! Krieg und Frieden unter Geschwisterkindern wechseln sich unterwegs ab wie Ebbe und Flut. So kann man als entnervte Eltern nur abwarten und hoffen, dass die hormonell gesteuerten Wallungen der Hitzköpfe schnell wieder abebben.
4. Halbstarke leiden an chronischer Selbstüberschätzung
Je oller, desto doller! – könnte man sagen, wenn man ältere Kinder und Jugendliche auf Reisen erlebt. Kein Berg ist ihnen zu hoch, keine Felswand zu steil und kein Grat zu schmal. Oft könnte man als Erwachsener meinen, dass die kognitiven Fähigkeiten des Gehirns der Jungen nicht in gleichem Maße wachsen wie ihre Gliedmaßen. Es scheint eher so, dass die wertvoll gebildeten Synapsen ab und an mit einem veralteten elektrischen Leitungssystem verglichen werden können, wenn dem wieder einmal die Sicherung durchbrennt. Festzustellen ist jedenfalls, dass Heranwachsende und vor allem Pubertierende sich oft hemmungslos körperlich, wie auch geistig, überschätzen. Wo man über das geistige Unvermögen der „Kleinen“ als Erwachsener noch schmunzelnd hinweg sehen kann, ist das beim körperlichen Übernehmen für ängstliche Eltern nicht mehr so wirklich lustig. Wenn der übermütige Junior glaubt, er müsse am Grand Canyon über Absperrungen klettern, um auch wirklich weit genug in die Schlucht hineinsehen zu können, brennt einem als Erwachsener auch schon mal die Sicherung durch. Leider ist das Spiel mit der Gefahr ein typischer Ausdruck Jugendlicher sich beweisen zu müssen. Da war sie wieder, die längst verloren geglaubte Angst. Da kann es nur heißen – dem provokanten Spiel mit wirkungsvollen Erziehungsmaßnahmen sofort Einhalt gebieten. „Alle elektronischen Geräte werden mit sofortiger Wirkung konfisziert!“
5. Die Hilfsbereitschaft lässt mit zunehmendem Alter nach
So sehr man sich über die Bereitschaft kleiner Kinder, die überall und immerzu helfen wollen, freut, umso enttäuschter wird man als Erziehungsberechtigter, wenn die vielgelobte Hilfsbereitschaft seines Nachwuchses mit den Jahren sukzessiv abnimmt. Es ist wirklich zum Haareraufen paradox: In jungen Jahren ist die Hilfe der Kleinen meist noch kontraproduktiv und mit zunehmendem Alter, wenn sie wirklich wertvoll wird, lässt die freiwillige Bereitschaft zu Helfen zusehends nach. Ohne wiederholte Appelle oder gar Ermahnungen helfen Jugendliche selten von sich aus. Möglicherweise gibt es noch seltene Exemplare der Gattung selbstloser und jederzeit hilfsbereiter Jugendlicher, doch die scheinen, wie so viele andere arme Geschöpfe unserer Erde, vom Aussterben bedroht zu sein.
6. „Mama, mein Akku ist leer!“ – Wer kennt das nicht !
Die digitale Revolution erobert jetzt auch noch die letzte Bastion der computerfreien Welt – den Urlaub. Vor einigen Jahren noch waren die modernen, digitalen Gerätschaften so kostbar und teuer, dass sie schlichtweg zu wertvoll waren, um mit auf Reisen zu gehen. Zu hoch war die Gefahr, dass die kostbaren Geräte unterwegs Schaden nehmen könnten. Diese Zeiten sind glücklicherweise schon lange vorbei. Heute sind Eltern dankbar für die stets einsatzbereiten digitalen Animateure ihres Nachwuchses. So weit, so gut! Doch wer nicht mit der Zeit geht und schnellstens hardweartechnisch, aufrüstet, der bleibt auf der Strecke, oder klugerweise in der Nähe zur nächsten Aufladestation. So mancher Rundreisetrip von Familien mit älteren Kindern und Jugendlichen wird nicht nach sehenswerten Gesichtspunkten ausgewählt, sondern nach den Entfernungen potentieller Aufladestationen zueinander. Selbst wenn man in weiser Voraussicht Mehrfach-USB-Anschlüsse zum Laden im PKW mitführt, so gibt es dennoch tägliche Diskussionen darüber, welche Geräte das permanente Vorrecht in punkto Aufladen haben. Führt man doch nicht nur die Tabletts der Kinder mit sich, sondern erdreistet sich als Erwachsener auch noch diverse Fotoapparate und Handys mit sich zu führen, die ebenfalls dann und wann aufgeladen werden müssen. Somit ist die herbeigeführte Ruhe durch mit moderner Elektronik spielende Kinder, mit dem ständigen „Aufladekampf“ schnell wieder zunichte gemacht. Kurz gesagt: DAS NERVT!
Da die Liste der negativen Begleiterscheinungen beim Reisen mit älteren Kindern und Jugendlichen noch lange nicht vollständig ist, freuen wir uns, eure eigenen Erfahrungen zu hören. Schreibt sie uns!
Wer ernst gemeinte und brauchbare Tipps zum Reisen mit älteren Kindern und Jugendlichen sucht, wird sicherlich in meinem Reisehandbuch fündig.
Solange die Teenager noch mit fahren wollen geht es ja noch, aber was, wenn sie nicht mehr wollen? Diesem Dilemma stehe ich gegenüber, hier habe ich mich mal nackig gemacht und mich in meinem Blog darüber ausgelassen: http://reisespatz.de/reisen-mit-teenagern-oder-nicht/
Was sagst du dazu?
Danke für deinen Kommentar. Ja, das Thema scheint dich sichtlich mitzunehmen. Ich selbst weiß auch nicht so recht wie ich reagieren würde, wenn eines unserer Kinder nicht mehr mit auf Reisen gehen möchte. Gott sei Dank ist das bei uns noch kein Thema, wobei es nicht mehr lange dauern wird, bis es ein Thema wird. Unsere elfjährige Tochter hat nämlich schon ein paar Mal ihren Unmut darüber geäußert, warum wir jedes Jahr zweimal auf Reisen gehen müssen und sie keine Zeit hat, etwas mit ihren Freunden zu unternehmen. Wie gesagt, da tut sich was.
Meine Sicht der Dinge über das Reisen mit älteren Kindern habe ich bewusst in humoristischer Form dargestellt, da man als Erwachsener ja sowieso keine andere Wahl hat, als es zu akzeptieren. Wie du schon sagst, man ist machtlos. Es mit Fassung und Humor zu nehmen, ist für mich die einzige Form der Aufarbeitung, dabei fühle ich mich weniger nackt, habe aber alles angesprochen, was mir auf dem Herzen liegt.
Sicherlich wird auch für uns das Reisen in den nächsten Jahren schwieriger werden. Die Kinder haben schon einen starken Einfluss darauf, der sich mit der Zeit sicherlich noch verstärken wird. Ich hoffe ja, dass ich meine Kinder mit „jugendgerechten“ Reisezielen ködern kann z.B. coole Städtereisen, Freizeitparks u.ä. USA beispielsweise war für unsere Kinder der Volltreffer schlechthin. Internetzugang fast überall kostenlos z.B. bei Mac Donalds. Eeeecht cooool, fanden das meine Kinder.
Wie gesagt, meine Hoffnung, die sicherlich, wie bei allen Familien irgendwann, zuletzt stirbt. Dennoch wünsche ich euch eine wundervolle Reise nach Sri Lanka. Genieß es einfach! Vielleicht ist das ja ein neuer Anfang von etwas, das irgendwann sogar wieder Spaß macht – das Reisen in ungewohnter und grenzenloser Freiheit (ohne Kinder).
Viele Grüße
Christine