Der EB auf dem Rennsteig – Das Abenteuer beginnt…..

Schon auf den ersten Metern komme ich bei einem mäßig steilen Anstieg ins Schwitzen. Meinem Mann und Reisepartner teile ich mit leicht ironischer Stimme mit „Ich wollte heute eigentlich nicht so sehr ins Schwitzen kommen“.  Dieser Satz wird auf den kommenden 2.700 Kilometern zum geflügelten Wort werden, über das wir immer wieder in leicht verzweifelter Ironie lachen können.

Es ist der zweite Juli 2022 und wir erklimmen an einem unglaublich heißen Vormittag den Berg zur Wartburg in Eisenach. Noch nicht einmal am Startpunkt unseres Fernwanderweges angekommen, bin ich vollkommen durchgeschwitzt, für mich die unangenehmste Begleiterscheinung beim Wandern. In jungen Jahren kannte ich dieses Phänomen noch nicht in diesem Ausmaß, aber mit den Wechseljahre entwickelte sich eine übermäßige Wärmeentwicklung in meinem Körper, die sich beim Laufen noch um ein vielfaches steigern lässt. Eigentlich könnte ich mich als Wärmespender in Form eines Heizpilzes für abendliche Terrassenfeste zur Verfügung stellen. Wäre sicher ein lohnendes Geschäftsmodell.

Am Ziel – äh Startpunkt – angekommen suche ich zunächst einmal ein schattiges Plätzchen auf. Durchatmen, abdampfen, trinken. Auch das wird mich in den nächsten Wochen begleiten, wenn ich einen Bergabschnitt erklommen habe. Das Frühjahr und der Sommer waren bisher sehr heiß gewesen, und die Prognosen für die kommenden Wochen versprechen leider keine Besserung – im Gegenteil. Eigentlich sehr ungeeignet für unser Vorhaben, aber wir haben keine andere Wahl als das hier jetzt durchzuziehen. Sonst wäre meine langjährige intensive Planung umsonst gewesen. Es kommen mir gerade die Worte des einstigen, berühmten Bewohners dieser prächtigen Burg in den Sinn. „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders…!“

Es kribbelt im Magen als ich die Schautafel des EB zum ersten Mal betrachte und den geschwungenen Weg mit den Augen verfolge. Sieht eigentlich gar nicht so weit aus, auf der knapp zwei Meter langen Holztafel. Ein Katzensprung! Grins! Mehrere Fotos später, ebenfalls mit einem mehr gespielt fröhlichen Grinsen, begeben wir uns noch einmal zur Aussichtsplattform, von der aus man die Wartburg in ihrer ganzen Pracht bewundern kann. Ich bin schwer beeindruckt. Mein Blick Richtung Osten gerichtet, denke ich im Stillen: „Hier stehe ich und kann nicht anders…..“ Das Abenteuer EB beginnt….

Den EB wandern – Wie es dazu kam

Schon seit vielen Jahren schwelt der Gedanke in mir einen wirklich langen Fernwanderweg zu laufen. Einer, der mindestens eintausend Kilometer lang sein soll. Davon gibt es weltweit recht viele. Alleine die Europäischen Fernwanderwege bieten eine Fülle an Wanderwegen dieser Kategorie.  Mein Traum aber war es einen der amerikanischen Fernwanderwege zu laufen, vorzugsweise den PCT im Westen der USA. Dazu braucht es zwei wichtige Voraussetzungen. Zunächst einmal die Möglichkeit eines mindestens halbjährigen Sabbaticals in einem vorgegebenen Zeitfenster, und zweitens ein spezielles Touristenvisum (das gar nicht so einfach zu bekommen ist) sowie weitere Genehmigungen, was zusammen schon einen ungeheuren zeitlichen Vorlauf benötigt. Der PCT war somit eine längerfristige Planung und für das Jahr 2022 vorgesehen. Mit den ersten Vorbereitungen begann ich im Herbst 2019. Und dann kam – ihr ahnt es schon – Corona.

Meiner Meinung nach sind Träume dazu da gelebt zu werden und Planungen sollten immer Alternativen im Gepäck haben. Schnell wurde mir klar, dass dieses Vorhaben zunächst auf Eis gelegt werden muss. Dennoch wollte ich am Termin 2022 unbedingt festhalten. Auch arbeitstechnisch stellten sich bei meinem Mann Schwierigkeiten ein. Eine längere Auszeit war nicht problemlos möglich. In den kommenden sorgenvollen Jahren war die Aussicht auf eine Auszeit das Einzige was mich irgendwie über Wasser hielt. Ich wollte einen Fernwanderweg laufen, koste es was es wolle. Und eines Tages stieß ich im Internet auf die beiden magischen roten Buchstaben des EB. Eine Alternative, die in ihrer Planung weniger Unwägbarkeiten beinhaltet, erhöht die Erfolgschancen der Durchführung, so meine These. Und diese sollte sich bewahrheiten. Trotz kleiner Rückschläge – mein Mann bekam nur drei Monate Auszeit bewilligt – entschieden wir uns schließlich den „Internationalen Bergwanderweg der Freundschaft“ von Eisenach nach Budapest zu starten mit dem Wissen, dass wir ihn nicht in dieser Zeit in seiner ganzen Länge schaffen würden. Aber Rückschläge waren wir ja jetzt gewohnt, doch diese konnten uns nicht mehr aufhalten. Natürlich hätten wir auch einen der vielen noch längeren Europäischen Fernwanderwege (E 1 bis E 12) wandern können, aber diese waren uns zu „unpersönlich“. Der EB stach aus all diesen Fernwanderwegen heraus, weil er eine eigene interessante Geschichte vorweisen kann. Er ist der einzige grenzübergreifende Fernwanderweg der ehemaligen sozialistischen Staaten und ein Zeichen dafür, dass in jeder Gesellschaft die Menschen einen Drang nach Freiheit haben, den man selten unterdrücken kann. Der EB ist der beste Beweis dafür, dass es immer einen Weg gibt, den man gehen kann.

Der EB auf dem Rennsteig – die ersten 110 Kilometer

Wie schon erwähnt startet der 2696 Kilometer lange EB an der Wartburg in Eisenach, wo 1983 die offizielle Eröffnung des Fernwanderweges stattfand. Auf den ersten 110 Kilometern folgt der EB dem wesentlich älteren Fernwanderweg Rennsteig.

Der 170 Kilometer lange Rennsteig ist ein historischer Wanderweg, der als Handelsstraße sogar schon im Mittelalter existierte. Als Wanderweg wurde er im frühen 19. Jahrhundert kartografiert. Er gilt somit als der älteste Wanderweg Deutschlands und ist bis heute einer der meistgegangenen Fernwanderwege der Republik. Der Rennsteig beginnt im Eisenacher Ortsteil Hörschel unweit des Bahnhofs und endet nach 170 Kilometern in Blankenstein. Zu DDR-Zeiten war der Rennsteig nicht vollständig begehbar, da er die damalige innerdeutsche Grenze mehrmals überschritt. Nach der Wende wurde die alte Wegeführung bis Blankenstein wiederhergestellt. Seit dem Jahr 2000 gibt es zusätzlich zum Wanderweg noch einen Radweg auf dem Rennsteig. Dieser ist ein bisschen länger und hat auf einigen Abschnitten eine andere Wegeführung.

Da der Rennsteig nicht über die Wartburg führt, trifft der EB einige Kilometer hinter seinem Startpunkt (am Jagdschloss Hohe Sonne) auf den Rennsteig. Auf den ersten Kilometern des EB gibt es gleich ein erstes landschaftliches Highlight. Die Drachenschlucht ist eine ca. 3 Kilometer lange mit Moosen und Farnen bewachsene Klamm. Der Rennsteig ist ein Kammweg und verläuft auf dem Höhenzug des Thüringer Waldes. Kammwege haben die Eigenschaft weniger steile Anstiege zu haben, was auf den Rennsteig nicht unbedingt zutrifft. Der höchste und steilste Anstieg ist der zum Großen Inselberg auf der ersten Etappe. Doch auch auf vielen anderen Abschnitten des Rennsteigs kann man den ein oder anderen beschwerlichen Anstieg erleben. In seiner Gänze ist der Rennsteig jedoch weniger beschwerlich als das was noch vor uns liegt. Um ehrlich zu sein ist er ein sehr einfacher Einstieg in den EB. Nach knapp 110 Kilometern verlässt der EB den Rennsteig in Neuhaus am Rennweg und biegt Richtung Norden ab.

Der EB auf dem Rennsteig – unser Fazit

Der Rennsteig ist ein genialer Einstieg in den EB. Der Fernwanderweg Rennsteig ist aus unserer Sicht der angenehmste Teil des gesamten EB. Kein Abschnitt des EB ist so hervorragend ausgeschildert wie der auf dem Rennsteig. Zudem bietet der Rennsteig eine ausgezeichnete Infrastruktur für Wanderer. Es gibt hier noch zahlreiche Wirtshäuser entlang des Wanderweges (das ist in Thüringen und dem gesamten Osten eine große Ausnahme). Des Weiteren gibt es auf dem Rennsteig verteilt Service-Häuser des Tourismusverbandes mit Toiletten, Duschen und Strom fürs Handy. Manchmal gibt es sogar richtige Aufenthaltsräume mit Küche und kalten Getränken (gegen Gebühr erhältlich) in Kühlschränken, sowie Schlafräume (die natürlich telefonisch vorgebucht werden müssen).

Das Beste sind allerdings die vielen schönen Wanderhütten, die man wirklich alle paar Kilometer findet. Das Übernachten (oder zelten) dort ist zwar offiziell nicht erlaubt, wird aber geduldet. Unsere angenehmsten Übernachtungsplätze hatten wir auf dem Rennsteig. Die Wege auf dem Rennsteig sind meistens bequeme, breite Schotterwege. Hin und wieder führen sie dichter in den Wald hinein. Doch auch hier wurden die Waldwege nachträglich mit einem Schotterbett versehen, was einen Wanderer nur kopfschüttelnd zurücklässt. Anyway! Für den Start in eine Langstreckenwanderung gibt es schlimmeres als einfache Wanderwege.

Einziger klitzekleiner Nachteil des Rennsteigs sind fehlende Supermärkte. Der Rennsteig führt selten durch größere Siedlungen, womit der Proviantnachschub nicht immer möglich ist. Da man als EB-Wanderer allerdings nur viereinhalb Etappen auf dem Rennsteig unterwegs ist, sollte auch das kein Problem sein. Wie gesagt gibt es ja auch zahlreiche Gasthäuser. Dasselbe Problem gilt auch für die Wasserversorgung. Diese ist auf dem Rennsteig nur dann lückenlos gegeben, wenn man feste Unterkünfte wählt oder sich in den Restaurants oder Service-Häuser bedient. Campingplätze gibt es übrigens auf dem Rennsteigabschnitt des EB nicht.

Wir jedenfalls haben den Abschnitt auf dem Rennsteig sehr genossen, trotz der Tatsache, dass es zum Zeitpunkt unserer Wanderung unglaublich heiß war (30°+). Selbst die zahlreichen körperlichen Leiden, die man zu Beginn einer Langstreckenwanderung immer hat, konnten unseren positiven Gesamteindruck nicht mindern. Der Rennsteig ist einfach klasse! In diesem Sinne wünsche ich allen Rennsteig-Wanderern Gut Runst! (Der hier typische Wandergruß)

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