Leider hat sich meine Hoffnung nicht erfüllt. Am Morgen wache ich mit einem elend schmerzenden Hals auf. Der Kopf dröhnt und meine Glieder fühlen sich an wie Blei. So werde ich die Strecke über das Hochland niemals schaffen.
Hilfe in der Not auf portugiesisch
Hinter Lajes do Pico führt eine Straße übers Hochland direkt nach Sao Roque de Pico. Die gesamte Strecke beläuft sich zwar nur auf knapp fünfundzwanzig Kilometer, es sind aber mehr als achthundert Höhenmeter zu bewältigen. An der Küste entlang ist es mehr als das Doppelte an Wegstrecke, deren Steigungen man aber auch nicht abschätzen kann. Was nun? Wir haben keine Lust einfach loszufahren, dafür fühle ich mich einfach zu schlecht. Schließlich naht schon bald die Rettung. Der Platzwart des Campingplatzes kommt am frühen Morgen mit seinem Pickup vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Da der nette Mann leider kein Wort englisch spricht, haben wir große Mühe ihm zu erklären was wir von ihm wollen. Zufällig kommt uns eine nette deutsche Urlauberin zur Hilfe, die gestern hier angekommen ist. Sie spricht spanisch und kann ihm die Sachlage erklären. Mit einem mittleidvollen Blick auf mich gerichtet, nickt der schrullige Alte nur bedächtig mit dem Kopf und gibt uns ein Zeichen einzusteigen. Blitzschnell hat mein Freund die Fahrräder auf der Ladefläche verstaut und wir können einsteigen. Während der Fahrt redet und redet der gute Mann wie ein Wasserfall und wir geben uns als begeisterte Zuhörer, auch wenn wir kaum ein Wort verstehen. Von der schönen Landschaft um uns herum bekomme ich kaum etwas mit, auch weil ich mich auf die Strecke konzentriere und froh bin, dass mir dies erspart geblieben ist.
Es existieren im Hochland zwei Straßen. Die eine auf der wir uns gerade befinden mit der Straßennummer EN 2 und eine von Westen nach Osten vorbei am Pico mit der Nummer EN 3. Die beiden Straßen kreuzen sich etwa in der Mitte der Insel. Dort soll uns der Fahrer absetzen, denn nach Sao Roque hinein kann ich es noch alleine schaffen. Doch dieser denkt gar nicht daran. Er möchte uns noch etwas von seiner wunderschönen Insel zeigen. Er biegt auf die EN 3 ab und nach wenigen Kilometern erreichen wir den See Lagoa do Capitao, einer von vielen kleinen Seen, die es hier im einsamen Hochland gibt. Strahlend zeigt er uns die Wildgänse, die in einer kleinen Gruppe schnatternd den winzigen See bevölkern. Wir sind gerührt von dem schönen, friedlichen Ort und vor allem von der Herzlichkeit des Mannes, der jegliches Dankesgeschenk ablehnt.
Der höchste Berg Portugals – der Pico Alto
Wegen der herrlichen Ruhe und Einsamkeit hier, verweilen wir noch ein wenig. Den höchsten Berg Portugals im Blick genießen wir einen Tee. Dass dieser sich heute ganz wolkenfrei zeigt, ist fast schon eine kleine Sensation, da er sonst meist eine ″weiße Mütze″ trägt. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit ziehen wir weiter. Von hier aus geht es nur noch bergab. An der Kreuzung der beiden Hochlandstraßen sitzt auf einer Steinmauer ein einsamer Radler. Seine sportliche Ausrüstung und das Rennrad wirken hier oben (wie auf den Azoren überhaupt) irgendwie deplatziert. Noch nie haben wir auf den Azoren einen Fahrradfahrer gesehen. Wir grüßen ihn nett auf Portugiesisch. Vielleicht hat unser Erstaunen oder die Tatsache, dass wir selbst nicht ins Landschaftsbild passen, sein Interesse geweckt, da er uns plötzlich auf Deutsch anspricht. Nun schauen wir verstört drein. In einem langen Gespräch erfahren wir, dass er selbst Deutscher ist und mit einer Azorianerin verheiratet. Seit Jahren pendelt er zwischen, den so unterschiedlichen Welten, Deutschland und Azoren. Nach über einer Stunde des Redens begleitet er uns einfach nach Sao Roque, da er dort zufällig wohnt. Über einen schönen Schleichweg gelangen wir ins Tal. Dort lädt er uns noch auf einen Kaffee ein. Er ist sehr froh Radler getroffen zu haben, da der Austausch mit Gleichgesinnten hier fast unmöglich ist. Schließlich gesellt sich noch seine nette Frau zu uns. Es wird ein langer Abend, an dem wir über die Inseln im Atlantik und seine Menschen mehr erfahren als die meisten Azorenreisenden.
Nach einer durchschwitzten Nacht habe ich den schlimmsten Punkt meiner Grippe überstanden. Jedenfalls geht es mir heute Morgen sehr viel besser.
Zurück nach Sao Miguel über die Insel Terceira
Gegen zehn Uhr legt die Fähre im Hafen von Sao Roque ab. Die See ist heute sehr ruhig, sodass ich die Fahrt fast schon ein wenig genieße. Nachdem ich mich von Pico verabschiedet habe, verkrieche ich mich unter Deck, um wieder ein wenig zu ruhen. Sanft geschaukelt falle ich sofort in einen tiefen, langen Schlaf.
Den ganzen Tag ist die Fähre unterwegs und legt an jeder Azoreninsel an. Gegen sechs Uhr abends erreicht das Schiff die Insel Terceira. Dort wird sie über Nacht ankern und erst am nächsten Morgen weiterfahren. Auch wenn wir auf dem Schiff bleiben könnten, so ziehen wir es vor an Land zu schlafen, da uns die engen Kabinen und der Dieselgeruch noch in schlechter Erinnerung sind. Unweit zwischen Hafen und Stadt finden wir auch gleich einen schönen Platz für die Nacht.
Pünktlich um 8 Uhr verlässt das Schiff am nächsten Morgen den Hafen von Praia. Der Sonnenaufgang ist so verlockend, dass ich mit dem Fotografieren gar nicht mehr aufhören kann. Doch dann verziehe ich mich wieder unter Deck und schlafe noch ein wenig. Ich glaube, dass ich noch in keinem Urlaub so viel geschlafen habe, wie in diesem. Was soll man aber auch auf einem Schiff mitten im Atlantik anderes machen.
Gegen 14 Uhr erreichen wir den Hafen von Ponta Delgada. Nach unserem – mittlerweile schon – obligatorischen Galao versuchen wir einen Mietwagenhändler zu finden, der faire Preise hat und bereit ist, für die Dauer der Miete unsere Fahrräder aufzubewahren. Die verbleibenden Tage möchten wir mit einem Mietwagen die Gegenden der Insel erkunden, die wir mit den Fahrrädern nicht geschafft haben. Die Suche kostet uns einen halben Tag, da kaum einer bereit ist unsere Fahrräder für diese Zeit aufzubewahren. So können wir erst am frühen Abend Richtung Nordeste losziehen. Unser heutiges Ziel ist der einzig offizielle Campingplatz am östlichen Ende der Insel in Nordeste. Wir fahren heute auf einer anderen Strecke, im hügeligen Landesinneren, zur Nordküste und stellen fest, dass Sao Miguel wirklich noch schöne, unberührte Fleckchen besitzt. Gleich am nördlichen Ortsausgang von Nordeste ist auf einem großen Straßenschild der Campingplatz ausgeschildert. Über eine sehr steile Straße führt der Weg in ein enges, dunkles, von großen Bäumen gesäumtes, Tal. Von einem Campingplatz ist hier keine Spur. Auf einem kleinen Parkplatz stellen wir das Auto ab. Bei dem Campingplatz handelt es sich wieder einmal um einen kleinen Wald, in dem ein paar Zelte stehen. Sanitäreinrichtungen gibt es selbstverständlich keine. Somit kann man behaupten, dass es auf den Azoren besser ist, gleich sein Zelt an einem schönen Ort in der Natur aufzustellen, als nach offiziellen Campingplätzen zu suchen.