Interview mit David Sachert von „Speichenheld“

Heute stellen wir euch eine kleine Rad-Reise-Familie vor, die Fahrradtouren ebenso liebt wie wir. 🙂

David Sachert erzählt uns, warum aus seiner Sicht gerade das Reisen mit dem Fahrrad eine Reiseform ist, die sich wunderbar mit Kindern vereinbaren lässt. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet, dass sich das Fahrrad perfekt dafür eignet, gerade mit Kindern, längere Strecken zurückzulegen und dabei eine Region, die Natur, das Wetter und die Menschen buchstäblich zu erfahren – also, die perfekte Art ist mit Kindern zu reisen.

David mit seiner Tochter
David mit seiner Tochter Ragna

Wie lange schon bist du mit deiner Tochter radelnd unterwegs und wohin führte euch eure erste Radreise?

Unsere erste längere Radreise unternahmen wir im Sommer 2013 – da war Ragna 2 Jahre alt. Wir fuhren in etwa 10 Tagen von Hannoversch Münden entlang des Weser-Radweges zum Steinhuder Meer. Damals habe ich Ragna noch im Anhänger transportiert. Ich weiß noch, dass ich ihren täglichen Mittagsschlaf genutzt habe um „Kilometer zu machen“. Zu dieser Zeit waren wir auch noch nicht mit Zelt unterwegs. Ich hatte Pensionen und Jugendherbergen teilweise vorgebucht. Das ging gleich zu Anfang schief, weil wir eine Etappe nicht geschafft haben. Durch einen vorsorglich eingeplanten Pausentag ließen sich zum Glück die nachfolgenden Übernachtungen alle umbuchen. Das war der erste und letzte Fahrrad-Urlaub ohne Zelt.

Was macht aus deiner Sicht das Besondere an dieser Art zu Reisen mit Kind aus? Was ist das Schöne am Radfahren mit Kind?

Ich finde auf dem Fahrrad hat man die perfekte Reisegeschwindigkeit. Ist man mit Kindern unterwegs, ist das ein absoluter Vorteil, weil man mit vertretbarem Kraftaufwand recht weite Distanzen absolvieren kann. Kinder sind neugierig, entdecken gerne, möchten Dinge erfahren und anfassen. Ein Pferd, ein Schaf, ein Esel am Wegesrand war und ist für Ragna immer ein Grund anzuhalten. Fährt man mit dem Auto, entgehen einem solche Details und ein Anhalten ist nicht so ohne weiteres möglich.

Es regt die Phantasie an: ein Fahrt durch einen Wald wird bei uns schnell zu einer Flucht vor einer bösen Hexe die uns jagt. Es sensibilisiert: nach einer Gewitter-Nacht im Zelt weiß man, dass von dieser Naturgewalt auch eine Gefahr ausgehen kann. Man ist die ganze Zeit draußen, lernt das Wetter, Landschaften und die Natur wahrzunehmen und zu deuten.

Zudem lernt man nebenbei, wie man Probleme lösen kann. Zum Beispiel als wir in Italien, wegen einer ausgefallenen Zugverbindung, einem italienischen Busfahrer mit Händen und Füßen erklären mussten wohin wir wollen.

Wie bereitest du dich auf eine Radtour mit deiner Tochter vor? Planst du akribisch alle Etappen vor und buchst Unterkünfte oder lässt du vieles offen? Wie wichtig ist für dich eine gute Reisevorbereitung und welche Vorteile hat eine umfassende vorab Planung?

Am Anfang gibt es eine Idee, eine schöne, reizvolle Strecke, die wir fahren möchten. Dann schaue ich wie viel Zeit uns für die Strecke zur Verfügung steht. Da uns meist nur eine begrenzte Zeit von 2 oder 3 Wochen für große Touren zur Verfügung steht, plane ich alle Etappen, mit Start, Ziel und Zeltplatz vor.

Die Länge der Etappen hat sich abhängig von Ragnas Alter auch schon mehrfach gewandelt. Als wir noch mit Anhänger unterwegs waren, konnte ich mit etwa 50 km rechnen. Als Ragna anfing selber zu fahren, plante ich mit etwa 30 km. Jetzt ist Ragna 7 Jahre alt und wir sind wieder bei etwa 50 km angelangt.

Zusätzlich streue ich pro Woche etwa ein bis zwei Pausentag ein. Zum einen weil es wichtig ist mindestens einmal in der Woche einen Tag zu haben an dem man nicht Fahrradfahren und am Morgen weiterziehen muss. Zum anderen kann man mit den Pausentagen unvorhergesehene Ereignisse, wie z.B. eine nicht geschafft Etappe, auszugleichen. Bis jetzt haben wir diese Pausentage auch immer gebraucht. Meistens weil uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte und einmal weil uns ein Mückenstich in Ragnas Augenlid in Dänemark einen ungeplanten Kinderarzt-Besuch bescherte.

Picknick in einem Wartehäuschen in Dänemark

Wie du schon erwähnt hast, habt ihr seit der zweiten Radtour immer ein Zelt dabei. Ist das die ideale Übernachtungsform für euch auf einer Radreise, oder gibt es für euch auch bequemere Alternativen, wie z.B. eine Pension, Jugendherberge, o.a. …)?

Wir übernachten am liebsten im Zelt, damit haben wir einfach die größtmögliche Flexibilität. Zeltplätze müssen in der Regel nicht vorgebucht werden und selbst auf gut befüllten Campingplätzen findet sich meist immer noch ein Plätzchen.

Selbst wenn es keinen Platz mehr gibt, könnten wir noch Wildzelten, das kam bisher aber noch nie vor. Nur wenn das Wetter all zu schlecht ist, es keinen Zeltplatz gibt, oder wir uns einfach ein gemachtes Bett und ein Frühstücksbuffet gönnen möchten, weichen wir auf feste Unterkünfte aus.

Wie sieht gewöhnlich der Tagesablauf bei euch aus, wenn ihr radelnd unterwegs seid?

Morgens nach dem Aufwachen, spätestens sobald uns die Sonne aus dem Zelt kitzelt, wird in aller Ruhe gefrühstückt. Danach packen wir unsere “7 Sachen” zusammen. Bis die ganze Ausrüstung (Zelt, Schlafsäcke, Isomatten, Kocher) in den Fahrradtaschen verstaut ist können gut und gern 1 ½ Stunden vergehen.

Ist alles verstaut, geht es auch schon los. Wir fahren bis gegen Mittag und machen, meist in einem Restaurant oder einer Gaststätte, eine ausgiebige Pause. Ist kein Restaurant zu erwarten, geht es vorher in einen Supermarkt und wir suchen uns ein schönes Plätzchen zum Picknicken.

Danach fahren wir in den Nachmittag hinein, wobei die Fahrt immer wieder von Eis-, Einkaufs-, Pipi- oder Badepausen unterbrochen wird. Meist erreichen wir den avisierten Campingplatz gegen 16-17 Uhr. An heißen Tagen, an denen es erst nach 17 Uhr merklich abkühlt und die Mittagspause dementsprechend länger ausfällt, sind wir auch gerne bis in die frühen Abendstunden unterwegs.
Nach der Ankunft auf dem Zeltplatz wird nach dem Aufbauen geduscht. Während ich was Leckeres für den Abend koche, nutzt Ragna meist die Zeit um den Zeltplatz zu erkunden oder knüpft neue Kontakte. Wir essen gemütlich vor dem Zelt und quatschen über den Tag. Wenn es dunkel wird verkriechen wir uns in die Schlafsäcke. Während Ragna schläft, lese ich noch etwas oder plane die Route für den nächsten Tag, danach fallen auch mir die Augen zu.

Auf was legst du besonderen Wert bei einer Radreise (z.B. Sehenswürdigkeiten für Kinder oder lieber einfach zu radelnde Strecken, oder anderes….)?

Für uns ist der Weg das Ziel, wir genießen das Draußensein und die Erlebnisse und Eindrücke, die einem die Natur bietet. Meistens vermeiden bzw. umfahren wir große Städte auf unseren Touren, weil Radfahren in Städten in der Regel stressig ist. Wenn man mit Kindern im Grundschulalter unterwegs ist, machen ausgedehnte Städte- und Museumsbesuche meiner Meinung nach wenig Sinn. Zumal es in Großstädten immer das Problem gibt Gepäck und Räder sicher unterzubringen. Das heißt aber nicht, dass wir Sehenswürdigkeiten und Städte komplett meiden, aber als Stadtbewohner genießen wir lieber die Zeit in der Natur und das Unterwegssein.

Im Sommer 2017 hast du dich mit deiner 6-jährigen Tochter an eine Alpenüberquerung gewagt. Klingt nach einer verrückten Idee, wie aber war die Wirklichkeit? Empfehlenswert?

Definitiv, ich kann es nur jeder radreisenden Familie empfehlen! Spricht man von einer Alpenüberquerung hat man immer die Vorstellung man müsse sich an unzähligen Pässen jeden Höhenmeter mühsam erarbeiten.  Es gibt aber an nahezu jedem Pass einen Busshuttle, der Räder, Gepäck und Mensch transportiert.

Der Rest des Weges, in unserem Fall die Via Claudia Augusta, war ein gut ausgebauter, fast immer asphaltierter, klassischer Radfernweg. Klar, es geht öfter mal auf und ab, was aber für selbstfahrende Kinder mit ein wenig Übung gut zu meistern ist.

Ragna zwischen Apfelplantagen auf der Via Claudia Augusta

Deine Tochter hat die Radtour mit einem 20 Zoll Puky Rad bewältigt – Respekt! Welche Anhängemethode hattet ihr dabei und wie ist dein Fazit dazu? Kannst du eure verwendete Anhängemethode weiterempfehlen?

Wir waren, wie auch schon auf vielen anderen Touren, mit dem FollowMe-Tandemsystem unterwegs. Der größte Vorteil ist, dass man ein handelsübliches Kinderrad (bis 20 Zoll) bei Bedarf „einhängen“ kann. Das Kind kann, wenn es will, mittreten und ist fest mit dem Elternfahrrad verbunden. Das ist gerade in Städten, oder in unserem Fall bei Abfahrten, oder einfach nur bei Müdigkeit oder vorübergehender Konzentrationsschwäche sehr von Vorteil.

Möchte das Kind selber fahren, kann man die Verbindung zum Elternfahrrad in wenigen Sekunden lösen, die Kupplung wird dabei hochgeklappt, und der Spross kann ganz allein, ohne Hilfe fahren.

Ein weiterer Vorteil, im Vergleich zu den immer recht wacklig wirkenden Tandemstangen, ist, dass man immer noch problemlos Gepäck auf dem Gepäckträger befestigen kann. Zudem liegt der Schwerpunkt der Kupplung – sie wird an der Hinterradachse befestigt – sehr tief, was einen ruhigen Lauf garantiert.

Einziger Nachteil ist vielleicht das Gewicht von 4 kg. Ich finde das aber im Vergleich zum Gesamtgewicht des Elternfahrrades mit Radreisegepäck vernachlässigbar.

Auf dieser Reise habt ihr Erfahrung mit dem Fahrradtransport mit einem Fernbus gemacht. Wie ist dein Resümee dazu? Würdest du das wieder tun, bzw. kannst du diese Form des Fahrradtransports anderen radreisenden Familien empfehlen?

Eine Fernbusverbindung ist definitiv eine Alternative zur Bahnverbindung. Allein schon deswegen weil es für etliche Routen keine günstige Bahnverbindung gibt oder weil – wie eigentlich so oft – die Stellplätze für Fahrräder bereits belegt sind. Häufig bieten Fernbusunternehmen auch Direktverbindungen an, sodass man sich das leidige und stressige Umsteigen ersparen kann.

Leider lässt so eine Busreise, im Vergleich zur Bahn, aber auch einiges an Komfort vermissen. In einem klassischen Reisebus hat man längst nicht so viel Bewegungsspielraum wie in einer Bahn. In unserem Fall war das Personal auch nicht auf Radreisende eingestellt. Ragnas 18 Zoll Kinderfahrrad passte nicht in die Fahrradhalterung und musste kurzerhand im Kofferraum mitreisen.

Mit Spaß bei der Sache – auf dem Elberadweg

Was sagt eigentlich deine Tochter zu euren Rad-Reisen? Daumen hoch oder Daumen runter? Und wie motivierst du dein Kind, wenn es mal nicht so läuft?

Ragna ist normalerweise immer begeistert, wenn es um Radtouren oder Radreisen geht. Ich glaube aber die frühe Prägung hat einiges dazu beigetragen.

Natürlich kommt es während der Touren auch mal zu „Motivationseinbrüchen“. Die lassen sich aber immer recht schnell mit der Aussicht auf ein Eis oder eine bevorstehende Pause aus der Welt schaffen. Ich finde sie ist auf den Touren immer sehr tapfer, beißt sich auch durch unangenehme Passagen – alles in allem ist Ragna wirklich radreisetauglich und ein sehr angenehmer Reisekompagnon.

Bei einer Radtour mit Kindern muss man natürlich kompromissbereit sein und Zugeständnisse machen. Ich gestalte die Tourentage  immer so, dass viel Zeit für spontane Zwischenstopps an Spielplätzen, Pferdekoppeln oder schattigen Bachläufen bleibt. Ragna akzeptiert es aber auch wenn wir nicht an jedem Spielplatz halt machen.

Leider schon die letzte Frage: Nächste Tour? Was ist geplant?

Die große Sommertour haben wir noch nicht geplant. Derzeit schwirren nur Ideen in meinem Kopf herum und ich kann mich nicht zwischen einer Tour entlang der dänischen Ostküste und der schwedischen Westküste, oder einer weiteren Alpentour, diesmal entlang der Alpe Adria, entscheiden.

Aber egal wo wir entlang fahren, es wird bestimmt schön und wir freuen uns drauf!

Vielen Dank, David, dass wir einen kleinen Einblick in eure Art zu Reisen bekommen konnten. Radreisen mit Kindern sind kein Hexenwerk und oft einfacher zu handhaben als viele andere Reiseformen. Das weißt du, dass wissen wir von reise-kids und jetzt noch viele andere mehr. Danke für das tolle Interview!

Haben Spaß am gemeinsamen Reisen – David und Ragna

Steckbrief von David Sachert

Hallo, ich bin David aus Leipzig. Zusammen mit meiner 7-jährigen Tochter Ragna bin ich am liebsten im Alltag und auf Reisen auf dem Fahrrad unterwegs. Wir sind sehr gern in Mitteldeutschland unterwegs, waren mit den Rädern aber auch schon in Dänemark, Österreich und Italien.

Ich finde das Fahrrad eignet sich perfekt um, gerade mit Kindern, längere Strecken mit vertretbarem Kraftaufwand zurückzulegen und gleichzeitig die Region, die Natur, das Wetter und die Menschen buchstäblich zu erfahren.

Wo wir mit dem Fahrrad waren und was wir dabei erlebt haben könnt ihr hier nachlesen. www.speichenheld.de

 

Alle Bilder dieses Interviews unterliegen dem Copyright von David Sachert.

Wir freuen uns immer über Kommentare zu unseren Interviews! 

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