„Wie jetzt? Mountainbiken mit kleinen Kindern? Das ist doch wohl nicht ganz ernst gemeint?!“ – „Doch. Ganz sicher!“ würden Michaela und Thomas wohl beide entgegnen, wenn sie mit solch einer Aussage konfrontiert würden. Die beiden lieben es mit dem Mountainbike in den Bergen unterwegs zu sein. Diesem Hobby gingen die beiden schon lange vor den Kindern nach, warum sollten sie also mit Kinder plötzlich darauf verzichten. Daran haben die beiden keine Minute gedacht, als ihr erstes Kind geboren wurde. Allerdings veränderten sich mit Kind die Anforderungen an diesen Sport. Hiervon, und wie sie heute ihre liebste Freizeitbeschäftigung ausleben, davon erzählen sie uns heute.
*Zur Vereinfachung verwende ich das Kürzel MTB für Mountainbiken.
Mountainbiken mit Kindern, das hörte sich zunächst einmal etwas abenteuerlich an. Wie kam es bei euch dazu, diese Sportart mit Kindern auszuüben?
Michaela: Für mich war es einfach wichtig, trotz Kindern Sport zu treiben, als Familie zusammen aktiv zu bleiben und den Kindern unsere Begeisterung für die Berge und das Mountainbiken weiterzugeben. Was bleibt wird man sehen 😉 Unser Sohn, Ludwig (5J) ist auf jeden Fall schon ganz begeistert.
Thomas: Ich glaube man muss hier fast schon von einer Bewegung sprechen. Mountainbiken ist das neue Wandern. Das haben nicht nur die Tourismus-Locations mitbekommen sondern mittlerweile auch die Industrie. Es gibt gute Anhängersysteme und Kinder Fahrräder mit denen man mit den Kleinen auch mal auf den Berg und in leichtes Gelände kann. Somit steht einem spaßigen Familienausflug nichts im Wege. Unsere Kinder lieben es.
Ihr seid eigentlich schon vor den Kindern erfahrene Mountainbiker gewesen. Dennoch hat sich mit dem Nachwuchs einiges geändert. Was war für euch die gravierendste Veränderung als ihr erstmals mit Kind unterwegs wart, und welche Schlüsse habt ihr daraus gezogen?
Michaela: Für mich war es einerseits die Anstrengung, andererseits auch das Trail fahren. Das ging ja nicht mehr gemeinsam. Hier mussten wir Ziele finden, wo Thomas und ich uns abwechseln konnten. Die Tourenlänge war natürlich auch eine andere und was man auf einmal alles an Gepäck braucht 🙂
Thomas: Für mich war eigentlich die größte Veränderung die verlorene Flexibilität. Mal eben schnell spontan mit Kindern irgendwo hin fahren geht fast nicht und ist immer erst eine kleine logistische Meisterleistung.
Und es ging ja noch weiter. Mit dem zweiten Kind wurden die Anforderungen ja nicht weniger. Wie unterscheidet sich aus eurer Sicht das MTB mit einem Kind und das MBT mit zwei oder sogar noch mehr Kindern? Ist das MTB mit mehreren Kindern überhaupt noch möglich?
Michaela: Es ist definitiv eine Entscheidung für oder gegen das Wollen 🙂 Wir haben uns ganz bewusst gegen einen doppelten Anhänger entschieden und so war von Anfang an klar, dass auch ich einen Anhänger ziehen muss. Was für mich aber kein Hinderungsgrund ist.
Thomas: Die größte Veränderung kommt nun eigentlich seit unser Großer mit 5 Jahren selbst fahren möchte. Das reduziert natürlich die Tourenlänge und den technischen Anspruch erneut. Macht aber auch riesig Spaß wenn man ihm zusieht wie er die Berge selbst erstrampelt und die Trails bezwingt.
Was sollte man als Anfänger unbedingt beachten, wenn man mit einem kleinen Kind in die Berge zum MTB aufbricht? Was gilt es aus eurer Sicht besonders zu beachten?
Thomas: Ich würde sagen, das wichtigste ist eine gut geplante Route. Nicht zu lang und ein angepasstes Gelände. Man sollte die Geduld der Kinder nicht auf die Probe stellen und sich auch vom „Kilometerfressen“ lösen. Biken mit Kindern ist eher ein gemeinsames Erleben der Natur. Der Weg zählt und nicht das Ziel. Wobei als Ziel auch immer Hütten mit Spielplatz super sind! (J)
Michaela: Genug Essen und Trinken. Im Anhänger sollte man auch einplanen, dass das Kind einschlafen mag und kann. Heißt Schnuller oder Stofftier evtl. ein kleines Kissen, das kommt auf die Bedürfnisse des Kindes an.
Die Ausrüstung (Anhänger oder Anhängemöglichkeit) für ein MTB-Abenteuer mit Baby oder Kleinkind am Berg – was gibt es dazu auf dem Markt (für 1 Kind und für zwei Kinder)? Und was könnt ihr aus eurer Erfahrung empfehlen?
Thomas: Es gibt Gott sei Dank mittlerweile eine Vielzahl an Anhängersystemen. Generell unterteilen sich diese in 2-Rad Anhänger wie die von Thule (früher Chariot) oder Burley. Diese Anhänger bestechen vor allem durch ihre Flexibilität. Sie können als Kinderwagen, Jogger und eben Fahrrad-Anhänger verwendet werden. Das Problem ist dass sie durch einen geringen Federweg und die Breite so wie das Gewicht nur bedingt für sportliches Mountainbiken geeignet sind. Dann gibt es die Klasse der Nachläufer mit nur einem Rad. Hier vor allem den Single Trailer von ToutTerrain. Der ist für sportlich ambitionierte Fahrer bestens geeignet und mit 20 cm Federweg auch recht geländetauglich.
Für die bisschen größeren Kinder bieten sich Systeme an, bei denen die Kinder mit treten können. Hier gibt es auch wieder eine Vielzahl an Systemen. Wir finden besonders charmant den Weehoo, der als Liegerad konzipiert ist. Das hat den Vorteil dass Kinder, die beim Radeln einschlafen, nicht runter fallen. Bis ca. 4 Jahre ist unser Sohn fast immer eingeschlafen. Allerdings hat dieser Trailer keine Federung und ist sehr lang. Daher nur bedingt geländetauglich. Mit einem dickeren Reifen lässt sich hier aber schon einiges machen.
Ein absolutes Geschoss ist der Streamliner von Tout-Terrain. Das ist sozusagen ein Kinderfahrrad mit Schaltung und mit 18 cm Federweg. Statt Vorderrad ist eine Deichsel mit dem Zug-Fahrrad verbunden. Mit dem Gespann kann man wirklich Trails fahren und die Kleinen lernen erste Technik Skills.
Sehr praktisch ist der Follow-Me. Das ist ein Anbauteil mit dem Eltern und Kinderfahrrad verbunden werden können. Das macht vor allem Sinn, wenn die Kinder schon gut selbst fahren können, aber trotzdem wegen vielbefahrenen Straßen oder längeren Anstiegen fest mit dem Zugfahrrad verbunden werden sollen. Innerhalb einer Minute kann der Nachwuchs an- oder abgehängt werden. Leider ist der Follow-Me extrem schwer und klobig. Ich verstehe nicht dass die Entwickler hier keine Light-Version bringen. Hätte ich schon längst gekauft!
Und wenn die Kinder größer werden und selbst fahren wollen? Welche Kinderfahrräder sind für euch geeignete Mountainbikes?
Thomas: Hier ist es vor allem wichtig auf das Gewicht zu achten. Man muss sich mal das Verhältnis Körpergewicht zu Fahrrad-Gewicht vorstellen. Hier gibt es mittlerweile auch sehr viele gute Hersteller die Fahrräder im Bereich 14 bis 24 Zoll (das ist die Laufradgröße) mit einem Gewicht von rund 6 bis 8 Kg anbieten. Wir kooperieren bei Biken mit Kids zum Beispiel mit der Marke KuBikes. Eine Liste mit Marken-Empfehlungen findet man auf unserer Website. Neben dem Gewicht sind auch kindgerechte und leicht zu bedienende Bremsen wichtig. Von Rücktrittbremsen würde ich abraten. Da tun sich die Kleinen nur mit dem Losfahren schwer. Ab einer Laufradgröße von 20 Zoll und einem Alter von ca. 5 Jahren empfehle ich auch eine Gangschaltung.
Was gilt es zu beachten, wenn der Nachwuchs plötzlich alleine durch die Landschaft brettert? Mir als Mutter würde es Angst und Bange werden, wenn mein Kind alleine den Abhang hinunterrauschen würde. Wie hat man seine Schutzbefohlenen auf solchen Touren am Besten im Griff?
Thomas: Ich habe eigentlich nur auf öffentlichen Straßen Angst. Hier habe ich einfach immer versucht unsern Kindern möglichst früh die Verkehrsregeln bei zu bringen und das sie immer auf der „Ketten-Seite“ fahren. Die ist nämlich immer rechts. Im Gelände lernen die Kinder eigentlich schnell was sie können und was nicht. Hier darf man nur keinen Druck machen oder sie zwingen. Wenn wir auf Trails fahren bekommen die Kids auch Protektoren für die Knie, Ellenbogen und einen Rückenprotektor. Helm ist natürlich obligatorisch! Wir schauen uns die Strecken natürlich auch immer an auf denen die Kinder fahren sollen. Und im Zweifelsfall schieben wir eben gemeinsam die Bikes.
Kleine Protektoren bekommt man z. B. bei TSG. Einen leichten Rückenprotektor ab ca. 5 Jahren gibt es von EVOC.
Michaela: Als Mama „muss“ man tatsächlich manchmal das loslassen üben 🙂 Die Kids schätzen sich meist selbst besser ein, als wir das als Erwachsener (für sie) so können. Ich habe z.B. das Skifahren nur durch Schussfahren gelernt und meiner Mutter war es da auch immer Angst und Bange. Wenn man als Eltern einen Sport macht und die Kinder das mitbekommen, klar möchten sie dann (meist) auch das ausprobieren, was sie sehen. Da jeder seine Eltern kennt, weiß er auch ob es was für sein Kind ist oder nicht und wie es beim Spiel Gefahren einschätzt. Ich denke man kann gut auf seinen Bauch hören und die Kinder dürfen auch ihre eigenen Erfahrungen machen, wenn es im Bereich dessen ist, dass wir die Schutzbedürftigkeit nicht vergessen.
Was die Tourenbeschaffenheit angeht: Welches Terrain eignet sich besonders für das MTB mit Kindern? Könnt ihr bestimmte Gebiete empfehlen, die sich gut für MTB-Touren mit Kindern eignen?
Thomas: Eigentlich haben wir fast überall schöne Strecken gefunden. Seit unser Großer auch selbst fährt sind es nun eher die kleinen Berge. Davon gibt es im Chiemgau ja eine Menge. Wir haben auch Kontakt zu Familien aus dem Bayerischen Wald oder vom Schwarzwald die aktiv mit Ihren Kindern unterwegs sind. Ich denke das geht eigentlich überall.
Mit unserer Website versuchen wir ja ein paar Touren-Ideen zu vermitteln.
Michaela: Gute Forstwege sind zum hochfahren besonders schön, finde ich und wenn der Waldweg nicht zu viele Wurzeln und Stufen aufweist, dann macht es auch den Kindern im Anhänger oder mit dem eigenen Fahrrad Spaß. Und manchmal kommt es dann doch dazu, dass wir alle absteigen und schieben müssen, das gehört für uns zum Entdecken und der Abenteuerlust dazu.
Wie reagiert ihr eigentlich, wenn der Nachwuchs unterwegs plötzlich keine Lust mehr hat zu fahren (und man ist gerade auf halber Strecke nach oben)? Wie kann man Kinder aus einem Motivationstief herausholen? Und wie schafft man es generell, dass Kindern das MTB Spaß macht?
Michaela: Ein Ziel mit Kinderspaß ist immer gut. Der Kaiserschmarrn oder Wurstsalat in der Alm lockt ganz gut und wenn man auch mit anderen Familien unterwegs ist. Wir sind ganz begeistert, dass unser 5jähriger ziemlich viel Spaß hat und wir auf ihn und seine Geschwindigkeit einfach auch Rücksicht nehmen. Er lässt sich auch vom Schieben nicht abschrecken und macht das schon richtig gut. Die kleine im Anhänger braucht dann immer mal wieder was zum Essen oder Trinken, den Schnuller und ein Buch. Größere Motivationstiefs hatten wir Gott sei Dank noch nicht. Gegenseitige Rücksicht, Bedürfnisse ernst nehmen, einfach mehr Zeit einplanen, mal ein Picknick zwischen drin.
Thomas: Gummibärli!
Welche grundlegenden Tipps könnt ihr Eltern an die Hand geben, die mit ihren kleinen Kindern gerne das MTB ausprobieren möchten?
Michaela: Unsere Lieblings-Einstiegsstrecke jedes Jahr ist bei uns die Käseralm am Samerberg. Die Strecke ist bergauf geteert, oben gibt des den Bike-Spielplatz mit Pumptrack und verschieden angelegten Strecken, die Alm hat einen tollen Spielplatz und man ist eigentlich in 45 Min – 90 Min oben.
Thomas: Erst mal technisch einfache Touren in Gebieten mit guter Infrastruktur. Wenn man es nicht bis zur geplanten Hütte schafft, gibt es ja vielleicht auch auf halbem Weg noch eine. Somit gibt es keinen Frust. MTB als gemeinsames Naturerlebnis verstehen. Der Weg ist das Ziel.
Seit kurzer Zeit gibt es euren Blog Biken mit Kids. Welche Motivation stand hinter dem Projekt und welches Ziel verfolgt ihr mit eurer Seite?
Thomas: Als wir unser erstes Kind hatten und der Kleine mit 8 Monaten groß genug war in einem Anhänger zu sitzen wollten wir auch wieder unserem geliebten Sport nachgehen. Leider fanden wir nirgends Touren-Beschreibungen die speziell auf die Tauglichkeit für Kinder-Anhänger eingingen. Zu enge Stellen, zu steile Anstiege, Gatter oder Zäune können mit Anhänger schnell den Spaß verderben. Wir haben damals schon immer gesagt: „So etwas müsste man machen“. Und dann haben wir es gemacht. Das positive Feedback von Eltern und auch von der Industrie hat uns fast überrascht. Derzeit sind wir am Optimieren unserer Website und am Einpflegen der vielen Touren die noch nicht online sind. Da wir natürlich beide noch einen „echten“ Job haben, ist die Zeit ein wenig knapp. Aber es wird!
Leider sind wir wieder schon am Ende unseres Interviews, auch wenn ich gerne noch viele Fragen mehr an euch richten würde. Das Thema ist eigentlich unerschöpflich.
Wer mehr über euch erfahren möchte, dem empfehle ich daher eure wirklich außergewöhnlich gute Internetseite Biken mit Kids. Dort findet der Interessierte schöne, familienfreundliche GPS-Touren und viele weitere Informationen zum MTB mit Kindern.
Danke an euch, Michaela und Thomas, für das spannende Interview. Ich wünsche euch noch viele aufregende MTB-Touren mit euren Kindern.
Steckbrief von Biken mit Kids
Aufgrund der Tatsache, dass man beim Mountainbiken mit Kindern und beim Fahren mit Kinder Anhänger, andere Ansprüche an Streckenlänge, Höhenmeter und Wegbeschaffenheit stellen muss, als bei „normalen“ MTB-Touren, waren wir oft stundenlang auf der Suche nach geeigneten GPS Tracks. Leider gibt es hierfür in den seltensten Fällen Beschreibungen in den herkömmlichen GPS-Touren. Als wir wieder einmal zu zweit den Anhänger tragen mussten, da sich der Weg in einen so stark ausgewaschenen Hohlweg verwandelte, dass selbst unser SingleTrailer links und rechts mit dem Rahmen stecken blieb, kam irgendwie die Frage auf, ob es nicht irgendwo GPS-Touren speziell für Kinderanhänger-Touren gibt. Mit der Idee im Kopf familientaugliche MTB-Touren zu suchen und zu finden, entstand letztendlich unsere Seite „Biken mit Kids“.
Unser Ziel ist es, allen Eltern und fitten Großeltern, die Spaß am Mountainbiken oder am Fahrradfahren mit Kindern haben, eine Auswahl an anhängertauglichen Touren zu bieten, die ohne negative Überraschungen zu einem gelungenen, sportlichen Familienausflug werden.
Wir freuen uns, wenn ihr uns auf unserer Seite Biken mit Kids besucht.
Euer MTB-Team
Alle Bilder dieses Interviews unterliegen dem Copyright von Familie Federkiel.
Wir freuen uns immer über Kommentare zu unseren Interviews!