Grenzgängerwege – Wandern und Radfahren im deutsch-belgischen Grenzgebiet Hohe Venn

Weites Venn

Ein Reisebericht von Volker Otter

Warum in die Ferne schweifen, wenn die Wildnis so nah ist!

Vor einem tollen Familienfest im Ruhrgebiet, das jedoch leider genau mitten in unseren Sommerferien liegt, überlegen wir: Wohin? Wir haben zwei Wochen Zeit, nicht lange, also wohin, ohne ewig lange Anfahrt, so, dass es sich lohnt? Und wir stellen fest, dass das Naheliegende manchmal gar nicht die schlechteste Wahl sein muss. Wir fahren in die Eifel und das belgisch-deutsche Grenzgebiet, das Hohe Venn und entdecken eine wilde Landschaft, wo wir sie gar nicht vermutet hatten, die, so wild und ursprünglich sie uns auch erscheinen und beeindrucken wird, dennoch von Menschen seit Jahrhunderten geprägt, verändert und nach einer kurzen Phase der intensiven waldwirtschaftlichen Nutzung (Fichten-Monokulturen) wieder erfolgreich renaturiert wird, wir werden uns also in einer wilden und dennoch von Menschen geprägten Landschaft bewegen, in einem der größten Gebiete zusammenhängender Hochmoore in Europa.

Mooridylle
Mooridylle im Hohen Venn

Als Jugendlicher hatte ich hier in der Eifel meine erste längere Abenteuertour gemacht. Damals sind wir von Aachen nach Trier gelaufen, ohne Zelt. Unsere BW-Ponchos (ich habe meinen heute noch und nehme ihn auch wieder mit…) haben uns als Tarps gedient. Großes Abenteuer.

Diesmal campieren wir allerdings nicht irgendwo im „Eifel-Outback“, sondern besuchen einen netten Campingplatz am Perlenbach bei Monschau, strategisch gut gelegen nahe der deutsch-belgischen Grenze. Der Eifelsteig führt mitten über den Platz. Die Stimmung auf dem Platz ist gut. Dauercamper gibt es hier keine, dafür viele Wohnmobilisten und viele Camper mit Zelt, Wanderer und Wanderradler, alles direkt am Bach, der mit seinem Plätschern für ein sanftes Einschlafen sorgt. Aber wir wollen ja nicht nur vor unserem Zelt sitzen, wir wollen was erleben.

Im Tal der Hill
Landschaft im Hohen Venn

In der Vorbereitung sind wir auf die interessante Website gestoßen, von der wir uns bei unseren Wanderungen im Hohen Venn (Abenteuertouren Hohes Venn Teil 1-3) inspirieren lassen. So machen wir uns auf zu unserer ersten Tour im Hohen Venn.

Unsere erste Wanderung im Hohen Venn – 18 km, ↑400 Höhenmeter

Startpunkt: Fagne de Polleur bei Hockai

Wir starten unweit von Hockai am Fagne de Polleur von einem Wanderparkplatz aus. Unten ein kleines, munteres Flüsschen, sandiges Ufer, wenn’s nicht so kühl wäre nach dem nächtlichen Regen, dann wäre das hier nach 2 Minuten der erste Verweilort mit Zeit für ein kurzes Bad. Uns juckt es aber in den Beinen das Hohe Venn zu entdecken und wir halten uns direkt am Bachlauf nach rechts auf einem schmalen Pfad, der den kleinen Wildbach bis zu einer Brücke durch jungen Birkenwald, dichtes Unterholz und Fichtenhochwald ca. 2km lang begleitet.

die aufgestaute Hogne mt BiberdammWir tauchen ein in ein Gefühl von Wildnis, obgleich weiter oben ein Fahrweg den Bach begleitet. Durch hohen und lichten Fichtenwald mit ergiebigen Blaubeerbüschen geht es am Rande des wunderschönen Moor- und Heidegebiets Wihonfagne in das Tal des kleinen Wildflusses Statte, dem wir durch jungen Bruchwald und später auch Buchenwald, gemischt mit Eichen und Kiefern in einem steiler und felsiger werdenden Tal auf ziemlich holperigen Pfaden folgen über noch nasse, rutschige Wurzeln, Steine und sumpfige Passagen. Wir sind froh über knöchelhohes und gut gewachstes Schuhwerk und unsere Stöcke, ohne die wir im Nachhinein alt ausgesehen hätten. Das Vorankommen ist besonders nach Regenfällen mühsam, links und rechts immer wieder auch offene Heide- und weite Farnflächen. Flussabwärts wird das Tal steil eingekerbt. Der kleine Fluss ergießt sich z.T. in kleinen Wasserfällen über sein nun felsiges Bett. Wir verlassen den Flusslauf und steigen zum Rocher de Bilisse auf, ein prima Platz für die Mittagspause, oben auf dem Felsen mit Blick auf das Tal. Von hier folgen wir verschiedenen Pfaden nach Norden und Westen ins Tal des Wildflüsschens La Hogne. Hier folgen wir maßgeblich dem Grand Randonnee 573. Das saubere Wasser ist wie bei allen Flüssen, die dem Hohen Venn entspringen, tief braunrot gefärbt durch Eisenoxid und Gerbsäuren aus dem Moor. Auch hier geht es über Stock und Stein. Trittsicherheit wird vorausgesetzt. Und ja, wir sind in Ost-Belgien und nicht in einer Wildnis in der großen weiten Welt. Bei Bois de Belle überrascht uns dann noch eine gut frequentierte Waldgaststätte direkt am Flüsschen, entspannt. Dann läuft der Rest wie geschmiert, hoch und wieder runter, weiter über schmale Pfade. Dann ignorieren wir eine Pfadumleitung. Der Pfad soll weiter vorne weggeschwemmt sein. Wir denken an längst vergangene schwere Regenfälle und gehen davon aus, dass das schon irgendwie gehen wird. Tut es auch. Aber des Rätsels Lösung ist ein großer Biberdamm, der das Ufer dauerhaft überschwemmt und den torfigen Boden mit Wasser bis zum Anschlag sättigt. Wir staunen und kämpfen uns durch dichtes Gestrüpp, suchen uns eigenen Pfade, knöcheltief im aufgeweichten Boden. Ein großes Abenteuer unsere erste Wanderung im Hohen Venn. Wir sind begeistert und wollen mehr….

das Bächlein Statte
Das Bächlein Statte

Unsere zweite Wanderung im Hohen Venn – 21 km, ↑350 Höhenmeter

Startpunkt: Signal de Botrange

Bachtal im Hohen VennWir starten wieder bei strahlendem Sonnenschein auf dem Hohen Plateau des Hohen Venns mit seinen offenen Hochmooren und Weiten. Auf Bohlenwegen und schmalen Pfaden bewegen wir uns durch Hochmoor, entlang an kleinen Rinnsalen und durch lichten Birkenwald zum Naturlehrpfad Poleur Fagne. Wir folgen dem Polleur Bach auf Pfaden und ein einem kurzen Fahrweg durch offenes Moor und Birkenwald und werden wenig später mit der offenen Weite des Hohen Venns belohnt, bevor wir uns am Rand des Naturschutzgebiets Fraineu et Lovaiseau entlang bewegen und kurz darauf das erste und letzte Mal auf dieser Wanderung eine Straße überqueren. Später kommen wir in das felsige Tal des Bayehon mit seinem Wasserfall. Wer kurz ins nasse Element eintauchen möchte, ist hier genau richtig. Die steilen Hänge sind mit dichtem Wald und manchmal Heideflächen bewachsen. Wir verlassen das Tal und folgen dem Ghaster-Bach, teils über sumpfige Passagen, die uns zwingen, den Bach zu queren. Oben auf der Höhe folgen wir dann dem Pfad zum Centre nature de Botrange, füllen unsere Wasservorräte auf, bevor wir in der prallen Sonne zum Signal de Botrange „zurückschwitzen“. Diese Wanderung ist wieder ein Genuss. Während wir gestern den kleinen natürlichen Bächen und Flüssen meist durch wilden Au- und Hochwald gefolgt sind, ist für diese Wanderung die Abwechslung von Flusstälern, Mooren und Hochflächen mit einem guten Schuss Wildnisgefühl prägend. Aber das ist noch nicht alles…. Auf dem Rückweg mach wir noch einen höchst erfrischenden und verdienten Stopp bei der kleinen Craft Beer Brauerei Peak Beer. Bei cooler Musik, tiefer Nachmittagssonne und oberleckerem Craft Beer schauen wir aufs Hohe Venn und entspannen so richtig. Mensch, ist das schön hier…!

Wald, der an Skandinavien erinnert
Wald, der an Skandinavien erinnert
Schöner Abschluss - gut, dass es Craftbeerbrauereien gibt
Schöner Abschluss – gut, dass es Craftbeerbrauereien gibt

Unsere Fahrradtour im Hohen Venn – 76 km, ↑1.050 Höhenmeter

Startpunkt: Zeltplatz Perlenau via Vennbahnradweg – Wesertalsperre nach Eupen und Grande Fagne

Etwa einen Kilometer in Richtung Monschau auf der Bundesstraße biegt bei Dreistegen schon der Zubringerweg durch das wunderschöne Rurtal zum Vennbahnradweg ab. Auf der ehemaligen Bahntrasse „fressen“ wir Kilometer auf bestem Asphalt, immer wieder schöne Blicke in das Umland: Moore, Wälder, Flusstäler, ab und an eine kleine Ortschaft. Nach ca. 30 Kilometern verlassen wir in Roetgen den Vennbahnradweg. Mit dem genialen belgischen Radwege-Orientierungssystem fällt es uns leicht, den Überblick über unsere Route zu behalten. Alle Kreuzungs- und Knotenpunkte verfügen über Nummern, die auf den Richtungsweisern und dem Kartenmaterial verzeichnet sind.

Im Hohen Venn am Grand Fagne
Im Hohen Venn am Grand Fagne

auf dem VennbahnradwegAuf Asphalt- und Waldweg folgen wir jetzt dem wunderschönen Wesertal. Die belgische Weser ist hier ein kleiner munterer und im Oberlauf noch unregulierter Fluss, der sich durch dichten Wald und manchmal Moor windet. Immer wieder ergeben sich schöne Blicke auf den Fluss und Möglichkeiten direkt am Fluss zu rasten. Irgendwann kommt der Stausee in Sicht. Von hier fahren wir hinab nach Eupen. Einmal belgische Fritten essen und mit Eistee und Cola herunterspülen, das hatten wir uns vorgenommen. Gesagt, getan (lecker, aber danach ist unser Frittenhunger und Softdrinkdurst fürs Erste und Längere gestillt). Wir verlassen Eupen entlang eines kleinen Bächleins. Zuerst durch Buchenwald, dann durch immer offenere Passagen mit Moor- und Heidelandschaft, durchsetzt mit weiten Adlerfarnflächen pedalieren wir das wilde Soor-Tal hinauf. Begegnete uns hier ein Bär, würde sich das hier irgendwie folgerichtig anfühlen, natürlich gibt es die hier nicht (dafür aber Wölfe!), aber der Eindruck von wilder Landschaft und absoluter Abgeschiedenheit verfängt. Vom Point de Hasebusch geht es weiter zum Knotenpunkt 67 und von dort auf einer Schotter- und Sandpiste zum Grande Fagne. Weite umfängt uns bis zum Horizont. Auf einem Wanderweg hinunter in das Tal der Hill müssen wir kurz absteigen und schieben. Hier werden wir auf unserer letzten Venn-Wanderung noch einmal vorbeikommen. Über den Knotenpunkt 63 und den Pannensterzkopf fahren wir schließlich durch schönen schattigen Buchenwald nach Kaltenherberg ab und landen wieder auf dem Vennbahnradweg, dem wir dann bis zum Abzweiger ins Rurtal folgen. Der Rest ist ein Klacks, einfach mal rollen und den Schweiß zu einer Peelingkruste auf der Haut trocknen lassen, warmer Wind und die Vorfreude auf ein kühles Getränk in der Abendsonne vor unserem Zelt.

Belgische Fritten
Belgische Fritten

Unsere dritte Wanderung im Hohen Venn – 16 km, ↑200 Höhenmeter

Startpunkt: Baraque Michel / Chapelle Fischbach

das große AdlerfarnfeldBei dieser Wanderung auf dem Plateau des Hohen Venn sind wir in einem der großen Naturschutzgebiete, dem Grande Fagne, unterwegs. Der landschaftliche Schwerpunkt ist heute eindeutig das Hochmoor. Wir starten direkt am Rand des Grande Fagne und begeben uns kurz darauf über Bohlenwege mitten hinein. Schon nach einer halben Stunde kommen wir aus dem Fotografieren gar nicht mehr heraus: Die Weite, die Wolken, der Himmel, das Moor, jeden Moment eine neue Stimmung. Wie so oft sind es dann aber die wirklich schmalen Pfade, die man finden muss, um weiter in diese fantastische Welt einzusteigen. Eine Bohle, die über einen Bachlauf gelegt ist, dahinter ein Trampelpfad, kaum zu erkennen, aber auf der Karte verzeichnet. Gut, dass wir hohes Schuhwerk anhaben. Einsinken ist fast normal. Wir bewegen uns auf eine Gruppe abgestorbener Bäume auf einem Hügelrücken zu, der sich über dem Moor erhebt. Je näher wir kommen, desto stimmungsvoller, lebendiger und ausdrucksstärker erscheinen die Gerippe ehemaliger, knorriger Kiefern. Vor uns liegen weite Adlerfarnflächen, durch die der Pfad am Rande eines Eichenwäldchens hindurchführt. Nur unsere Köpfe ragen aus dem Farn heraus, unsere Füße vertrauen darauf, dass weiter unten irgendwo tatsächlich ein Pfad ist. Sehen können wir ihn oft nicht. Dann kommt die Abzweigung ins Hill-Tal, die wir von der Radtour schon kennen. Wir wandern in das Tal der Hill hinunter und begleiten das Flüsschen durch Moor und lichten Birkenwald, der uns immer wieder an die skandinavischen Landschaften denken lässt. Linkerhand ergeben sich schöne Blicke ins Fagne Wallonne. Wir stoßen wieder auf den Bohlenweg vom Anfang und wieder ist die Stimmung anders, nun im Nachmittagslicht. Mit einem guten Craft-Bier – wir kommen an der Peak Beer-Brauerei einfach nicht vorbei – verabschieden wir uns vom Hohen Venn. Wir sind berauscht von so viel Schönheit, Wildheit und ein wenig auch vom guten Bier unweit der deutsch-belgischen Grenze.

Abgestorbener Kiefernhain auf einem Höhenrücken
Abgestorbener Kiefernhain auf einem Höhenrücken

Unsere vierte Wanderung – 19,5 km, 550 hm

Startpunkt: Campingplatz via Kreuz im Venn, Rurtal, Monschau und Perlenbachtal

Auf dem Weg zum VennbahnradwegDas Auto einfach stehen lassen, auch schön. Vom Campingplatz laufen wir entlang dem Perlenbach zur Wegkreuzung Dreistegen und steigen einen schmalen Pfad steil auf der linken Rurseite an einem Wildbach hinauf. Über Wiesen und Felder geht es nach Kaltenherberg. Wir überqueren den Vennbahnradweg und laufen auf Waldwegen zum Kreuz im Venn, einer Wallfahrtsstätte, die an einen Prior erinnert, der den Menschen während des 30-jährigen Krieges mit Rat und Tat zur Seite stand. Das große Metallgebilde thront auf einem Felsen, den man über Treppen besteigen kann. Darunter, unter einem Felsüberhang, ist die Mariengrotte, zu der heute noch viele Gläubige pilgern. Wenig später halten wir uns am linken Rurufer auf schmalem Pfad Richtung Monschau. Natürlich sind wir hier nicht allein, trotzdem ist es schön, diesem hier noch natürlich fließenden Fluss zu folgen. Wir bleiben zunächst noch oberhalb von Monschau, indem wir auf den Eifelsteig wechseln bis wir wenig später in das Städtchen absteigen. Nach einem Stück Torte und einem leckeren Kaffee (was soll man auch anderes in Monschau tun?) steigen wir wieder mit dem Eifelsteig auf die südliche Seite Monschaus auf und folgen auf schönem Weg dem Perlenbach, bis wir irgendwann unter uns unseren Zeltplatz sehen und über schmale Pfade wieder absteigen. Ein Vergleich zu den vorigen Wanderungen im Hohen Venn funktioniert hier leider nicht, nur wenige Kilometer entfernt und doch so verschieden. Wildnis haben wir hier nicht gefunden, aber eine entspannte Wanderung durch schöne Kulturlandschaft und entlang an naturnahen Bächen und der Rur.

Das Kreuz im Hohen Venn
Das Kreuz im Hohen Venn

Kennst du noch weitere Wanderungen im Hohen Venn? Dann freuen wir uns, wenn du diese mit uns teilst! 

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