Das nächste große Etappenziel dieser langen Wanderung ist erreicht. Es fühlt sich leicht erhaben an, wenn ich daran denke, dass wir bisher mehr als 2.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt haben. Trotzdem sollten wir nicht zu überschwänglich werden und uns den Herausforderungen auf dem letzten großen Abschnitt des Internationalen Bergwanderweg der Freundschaft von Eisenach nach Budapest stellen. Es wird auch hier sicherlich nicht einfacher werden, sondern eben nur anders.
In Ungarn verläuft der EB in einer Länge von 521 km komplett auf dem ungarischen, nationalen Fernwanderweg Országos Kéktúra. Was die Wanderung hier tatsächlich einfacher macht ist die Tatsache, dass dieser Fernwanderweg hervorragend markiert ist. Der Országos Kéktúra wiederum ist Teil des europäischen Fernwanderweges E 4. Ebenfalls sehr angenehm sind die zahlreichen Rastplätze und Schutzhütten entlang des Wanderweges, die es in dieser Form und Fülle auf dem EB bisher nur auf dem deutschen Abschnitt am Rennsteig gab. Es gibt noch mehr Annehmlichkeiten auf dem EB in Ungarn, doch jetzt wollen wir erst einmal starten in der unaussprechlichen Stadt, in der der EB die ungarische Grenze überschreitet – in Satoraljaujhely.
Unser Start im mediterranen Ungarn – von heißen Tagen und tropischen Nächten
Es ist immer noch heiß. Die letzten Tage waren ein Wechselbad der Gefühle gewesen. Die heißen Luftmassen wurden durch kräftige Gewitter immer wieder heruntergekühlt, gaben sich aber nicht geschlagen und setzten sich als feucht-heiße Luftmassen wiederum durch. Ich kam mir teilweise vor wie in einer Sauna kurz nach einem Aufguss. Und genau so geht das Wetter in Ungarn weiter, zwischen heiß und schwülheiß habe ich das Gefühl in Italien unterwegs zu sein, und nicht im Nordosten Ungarns. Die Temperaturen sind wirklich gnadenlos (34 Grad und mehr) und verlangen uns alles ab. Glücklicherweise führt der EB zunächst durch bewaldetes Gebiet im Sempliner Gebirge (ungarisch Zempléni-hegység). Das Wasserproblem, welches wir teilweise in der Slowakei hatten, haben wir in Ungarn glücklicherweise nicht mehr. In jedem noch so kleinen Dorf gibt es meist mehrere Pump-Brunnen, aus denen man Trinkwasser pumpen kann. Mittlerweile sind aber viele dieser Brunnen nicht mehr angeschlossen, sodass man vor Ort fragen muss, welcher Brunnen noch an der öffentlichen Trinkwasserversorgung angeschlossen ist.
Am dritten Wandertag verlässt der Wanderweg das schattenreiche Gebirge und führt über landwirtschaftlich genutzte Felder. Es folgt wieder einmal ein – für uns – klassischer Flyover Country-Abschnitt. Angesichts der aktuellen Temperaturen (über 34 Grad) kapitulieren wir vor den wanderuntauglichen Temperaturen. Mir ist es nicht möglich in dieser Hitze den ganzen Tag ohne jeglichen Schatten zu wandern. Wir legen einen Tag Pause ein und überlegen, wie es weiter gehen kann. In der Unterkunft, die wir kurzfristig gebucht haben, ist es des nachts noch wärmer als in unserem Zelt, das wir schon seit Tagen ohne Außenzelt aufstellen. Eine unruhige, tropische Nacht und viele Überlegungen später umfahren wir mit einem Bus den Felder-Abschnitt und lassen uns am nächsten Waldrand absetzt. Somit überspringen wir leider wieder eine Etappenlänge von ca. 22 Kilometern. Aktuell sehen wir aber keine andere Möglichkeit, da das Wetter in den kommenden Tagen nicht anders werden soll.
Die Nationalparks Aggteleki und Bükki – schöne Aussichten und unruhige Zeiten
Der EB bzw. Országos Kéktúra schlängelt sich weiter gemächlich durch den Norden Ungarns. Die Auf- und Abstiege sind nicht mehr so anstrengend, aber dennoch zahlreich. Tatsächlich sind die ungarischen Gebirge bisher weniger fordernd gewesen als die in der Slowakei oder Polen. Im waldreichen und schönen Nationalpark Aggteleki streift der EB fast noch einmal die slowakische Grenze. Der ruhige Naturpark ganz im Norden Ungarns hat einige kleine Schönheiten zu bieten, wie die verlassene polnische Siedlung Derenk mit ihrem Bildermuseum mitten im Wald, oder zahlreiche Höhlen und Höhlensysteme, von denen die bekannteste in der Ortschaft Aggtelek besichtigt werden kann.
Ich muss schon wieder zum Wetter kommen, das uns das immer noch beschäftigt. Die heißen Tage werden fast täglich durch starke Gewitter heruntergekühlt. Das schlimmste Gewitter auf dieser Reise erleben wir auf dem Campingplatz in der kleinen Ortschaft Aggtelek, als ein Blitz in nächster Nähe zum Campingplatz niedergeht. Ich bin ja grundsätzlich kein ängstlicher Mensch, aber ich muss schon zugeben, dass dies kein schönes Erlebnis war. Doch auch am Tag müssen wir uns hin und wieder vor Gewittern in Acht nehmen, haben aber immer wieder das große Glück uns irgendwo unterstellen zu können, oder das Gewitter verzieht sich in eine andere Richtung. Mit den ständigen Gewittern eröffnet sich uns ein neues Problem, das wir so auf dem EB noch nicht hatten – und zwar Mücken. Die hohe Luftfeuchte, die mit den starken Regengüssen einhergeht, weckt die Viecher quasi aus ihrem „Winterschlaf“. Tatsächlich verfolgen uns an den windstillen Tagen ganze Scharren von Mücken, was mich fast verrückt werden lässt, da diese immer wieder in Nase, Augen und sogar den Mund fliegen wollen. Neben den nur lästigen Fliegen, gibt es auch noch jede Menge Moskitos, die nicht nur nerven, sondern auch noch blutsaugend unterwegs sind. In noch keinem Urlaub haben wir solch große Probleme mit Stechmücken (die sogar tagsüber sehr angriffslustig waren) und Mücken generell gehabt wie hier in Ungarn. Somit sind unsere letzten Tage auf dem EB landschaftlich zwar schön, aber auch sehr unruhig.
Der diesjährige Abschluss auf dem EB ist für uns das Bükk Gebirge mit dem Nationalpark Bükki, welcher ca. 160 Kilometer nordöstlich von Budapest liegt. Uns war schon zu Beginn der Reise klar, dass wir noch einen weiteren Urlaub benötigen werden, um den EB zu beenden.
Das Bükk Gebirge ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Ungarns und umfasst ca. 100.000 Hektar zumeist schönster Buchenwald. Nicht verwunderlich, dass das Gebirge und der dazugehörige Nationalpark den Namen Bükk tragen, das ungarische Wort für Buche. Die höchsten Gipfel des Mittelgebirges reichen fast an die tausend Meter Höhe. Der Nationalpark befindet sich im Kern des Bükk-Gebirges und umfasst ca. 450 km. Damit ist der Nationalpark Bükk das größte Naturschutzgebiet Ungarns. Der Nationalpark Bükki ist ein weiteres landschaftliches Highlight auf dem EB und für uns ein großartiger Abschluss dieser vierwöchigen Reise.
Ein weiterer lohnenswerter Fernwanderweg in Ungarn
Klar, ist das der Országos Kéktúra (übersetzt: Blaue Landestour). Er ist einer der bekanntesten – wenn nicht der bekannteste – Fernwanderweg in Ungarn. Dieser nationale Fernwanderweg wurde 1952 eröffnet und führt an der Grenze zu Österreich auf 1.128 Kilometern über den Nordosten des Landes, ohne die ungarische Hauptstadt Budapest auszulassen, bis in die nordöstliche Grenzgemeinde Hollóháza an der slowakischen Grenze. Den Initiatoren des EB kam die schon bestehende Kéktúra Route bei ihrer Planung wohl ganz gelegen, weshalb sie einfach den östlichen Teil der Országos Kéktúra bis Budapest zum letzten Abschnitt des EB machten. Heute ist der größte Teil des Országos Kéktúra (ebenso wie der EB auf seinem letzten Abschnitt in Ungarn) in den europäischen Fernwanderweg E4 integriert. Die Markierung des Országos Kéktúra ist ein blauer Querstreifen auf weißem Grund. Zur nördlichen Blauen Landestour sind inzwischen zwei weitere Fernwanderwege hinzugekommen, nämlich der Rockenbauer Pál Dél-dunántúli Kéktúra und der Alföldi Kéktúra. Mit dieser Erweiterung schließt sich ein Kreis, und es entstand ein 2.584 Kilometer langer Rundwanderweg durch ganz Ungarn. Nähere Informationen über diesen erstaunlich langen ungarischen Fernwanderweg erhält man auf der offiziellen Webseite der Kéktúra Routen des ungarischen Wanderverbands.
Der EB in Ungarn bis zum Nationalpark Bükki – unser Fazit
Der ungarische Teil bis zum Bükki Nationalpark gehört zu den einfacheren Abschnitten des EB. Die Berge werden niedriger und die Anstiege sind gefühlt weniger steil, als noch in der Slowakei und Polen. Trotzdem gibt es immer wieder Herausforderungen denen man sich stellen muss. Das Wetter, mit seinen unangenehmen Begleiterscheinungen, auf welches ich hier mehrmals eingegangen bin, ist das eine. Das andere sind die Wanderwege generell, die hier in Ungarn am häufigsten auf dem gesamten EB durch unwegsames und manchmal komplett überwuchertes Gelände führen. Zeckenalarm! So schön die schmalen Pfade direkt durch dichtes Gebüsch auch sind, sollte man sich der Gefahr durch Zecken bewusst sein. Glücklicherweise hatte ich (sonst ein wahres Zeckenmagnet) auf dieser Reise nur eine einzige Zecke.
Was feste Unterkünfte betrifft, so ist es in Ungarn nicht so einfach über internationale Buchungsplattformen wie z.B. booking.com ein Zimmer zu buchen, da dies in Ungarn noch nicht so weit verbreitet ist (nur in größeren Städten). Es gibt eine nationale Buchungsplattform (szallas.hu), die wir jedoch nicht genutzt haben, und somit keine Infos dazu geben können. Zimmer gibt es zwar viele, auch im ländlichen Raum, aber ohne vorherige Reservierung ist es nicht immer einfach – auch wegen der Sprachbarriere – vor Ort spontan ein Zimmer zu finden. Wir fanden daher die Zimmersuche in Ungarn am schwierigsten. Wenn jemand ein Übernachtungszimmer anbietet, so wird das mit einem gut sichtbaren Schild am Haus oder am Grundstück kenntlich gemacht mit dem Wort „vendégház“.
Landschaftlich ist dieser Abschnitt nicht von großen Highlights geprägt. Einzig die Nationalparks Aggtelek und Bükki bieten etwas mehr fürs Auge. Dafür ist der EB hier – was die Logistik betrifft – wieder einfacher. Wie schon erwähnt ist Wasser nie ein Problem und auch Lebensmittel kann man in fast jedem noch so kleinen Dorf nachkaufen.
Ein weiterer großer Pluspunkt des EB in Ungarn, welcher eine entspannte Etappenplanung garantiert, ist die Tatsache, dass das Wildzelten in Ungarn generell überall erlaubt ist (außer natürlich in den Nationalparks (dort gibt es aber offizielle Biwakierplätze!) und auf privatem Gelände). Das macht die Suche nach einem Übernachtungsplatz viel einfacher, da man nicht das Gefühl hat, sich verstecken zu müssen.
Und zu guter Letzt ist der Wanderweg in Ungarn hervorragend markiert, wie wohl auf kaum einem anderen Abschnitt des EB. Das liegt jedoch daran, dass man sich auf der gesamten Strecke auf dem nationalen Fernwanderweg Országos Kéktúra befindet.
oder weiter zum nächsten Reisebericht →
Für alle Informationen auf dieser Seite habe ich viel Mühe und Zeit investiert, um sie jedem zur Verfügung zu stellen. Da alle diese Informationen aus ersten Hand sind und ich persönlich keinerlei finanziellen, oder sonstigen, Vorteil davon habe, freue ich mich besonders über ein Feedback von dir in Form eines Kommentars.